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Auf dem Rücken des Tigers

Auf dem Rücken des Tigers

Titel: Auf dem Rücken des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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deutsch?« fragte ich.
    »Weil ich es gelernt habe«, erwiderte sie. »Warum sprechen Sie so gut englisch?«
    »Weil ich es gelernt habe.«
    Wir lachten gleichzeitig.
    Dann geleiteten mich die beiden wie im Triumphzug in die kleine Wohnung, aus der sie mich vertrieben hatten.
    Feminine Hand hatte die Einrichtung umgestaltet. Nach dem ersten Verdruß mußte ich eingestehen, daß unsere Junggesellenbude wohnlicher geworden war.
    Wolfgang telefonierte. Vermutlich galt das Gespräch den Hochzeitsvorbereitungen.
    »Wo haben Sie ihn kennengelernt?« fragte ich Laura.
    »Ich war Wolfgangs Patientin«, antwortete sie.
    »Deswegen braucht man ihn doch nicht gleich zu heiraten«, alberte ich.
    »Vielleicht liebe ich ihn«, versetzte sie.
    »Vielleicht mag ich ihn auch«, erwiderte ich.
    »Eifersüchtig?«
    »Überrumpelt«, antwortete ich. »Bitte lassen Sie mir Zeit und geben Sie mir Whisky.«
    Während Laura an unsere Bar ging, sagte ich: »Wissen Sie, daß mir Wolfgang im Krieg das Leben gerettet hat?«
    »Nein«, erwiderte sie, ohne sich umzudrehen, »aber das ist sein Beruf.«
    Die Antwort gefiel mir, obwohl ich sonst keine Gelegenheit ausließ, den Medizinwahn meines Freundes zu verspotten.
    Wolfgang kam zurück.
    »Es klappt«, rief er uns zu.
    »Dann werd' ich mir jetzt wohl ein Hotel suchen müssen.«
    »Das werden Sie nicht«, entgegnete Laura.
    Sie hatten sich eine zweite Überraschung für mich ausgedacht. Ganz in der Nähe lag Lauras bisheriges Apartment; es war für mich hergerichtet worden. Meinen Schreibtisch hatten sie mitgenommen, die vertrauten Fotos hingen an den Wänden. Auf dem Tisch stand meine Spezialmarke ›Grand Old Dad‹. Eiswürfel waren eingefroren. Ein dunkler Anzug mit passendem Hemd und silbergrauer Krawatte war aus dem Schrank gehängt.
    »Morgen um elf«, sagte Wolfgang.
    Ich betrachtete Laura, aber ich brauchte sie nicht anzusehen, ich wußte, wie sie aussah, so wie ich spürte, wie sie sprechen, wie sie reagieren, wie sie lieben  würde.
    Es war mir, als hätte ich erstmals eine Landschaft betreten, von der ich immer geträumt hatte: Mit der Erkenntnis konfrontiert, daß es sie gibt, hatte ich zugleich erfahren, daß sie für mich verbotenes Land ist.
    »Und gepoltert wird gar nicht?« fragte ich.
    »Ehrlich gesagt«, erwiderte Wolfgang, »da wir die Hochzeitsnacht schon vorweggenommen haben, können wir den Polterabend auf morgen verschieben.« Er lächelte mit impertinentem Stolz. »Du bist doch sonst so gegen Ordnung!«
    »Haut ab!« erwiderte ich. »Aber schleunigst!«
    Ich trank die Flasche leer, zog mich aus, verstreute meine Kleidung über das ganze Zimmer und versuchte zu schlafen. Ich lag in Lauras Bett. Es war frisch überzogen, aber vom Duft ihrer Haut mußte etwas zurückgeblieben sein. Ich atmete schwer, heftig.
    Ich saugte Sucht ein.
    Ich stand wieder auf, soff weiter, legte mich wieder hin, schlief in Raten ein, wachte auf, hielt die Decke in den Armen und träumte einen dummen, langen Moment davon, es sei Laura: heute die Braut und morgen die Frau meines Freundes.
    An Schlaf war nicht mehr zu denken.
    Ich zog mich an.
    Dann ging ich durch dieses nächtliche, stinkende, kreischende New York. Es roch nach Angst und Müll, nach Masse Mensch, nach dem Geschrei der Juke-Boxes. Es roch nach gekotztem Whisky, nach geprügelten Negern; es roch nach frommen Juden und nach abgestandenen Spaghettis.
    Ich kostete den salzigen Geschmack der Einsamkeit, und dann vereinigte sich diese ganze Kakophonie von Gerüchen zu einem einzigen Duft:
    New York roch nach Laura.
    In meinen Ohren gellten die Wahlkampflügen, die Pfiffe der Razzia. Die Straßen gähnten leer, aber die Müllkübel an ihrem Rand quollen über. Ein Straßenkehrer schlug mit dem Besenstiel auf einen Smokingmenschen ein, der unter der Laterne seine Notdurft verrichtete.
    An der nächsten Ecke pißte eine Horde Halbwüchsiger um die Wette, wer am weitesten könnte. Der Sieger prahlte mit der Größe seiner Blöße: »Gut geschifft ist halb gevögelt«, schrie er stolz und packte seinen Pint wieder ein.
    Aus dem Schatten schälte sich die St.-Patricks-Kathedrale. Trunken klopfte ich gegen die verschlossene Pforte.
    Ein Polizeiwagen hielt.
    Der Fahrer kontrollierte meine Papiere.
    »Such an funny fellow«, sagte sein Kollege.
    Dann entließen sie mich in die nächste Pinte, zur nächsten Flasche.
    Mit mir erreichte gleichzeitig eine Rotte Halbwüchsiger die Kneipe. Die Rockers hatten wohl einen Automaten ausgeraubt oder ein

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