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Auf dem Rücken des Tigers

Auf dem Rücken des Tigers

Titel: Auf dem Rücken des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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den Händen der Polizei, aber gerade in der letzten Zeit hatte es bei der Aufklärung einiger Spionagefälle böse Pannen gegeben; deshalb war dem Kriminalkommissar der unbeliebte Kudritzky gar nicht so ungelegen gekommen.
    Der Beamte spannte einen Bogen Papier in die Maschine und hackte zweifingerig mit verblüffender Behendigkeit auf die Tasten.
    »Sie heißen Egil Kamm, ist dreiundzwanzig Jahre alt, studieren an der Universität Köln« – er unterbrach sich und betrachtete den bärtigen Jungen in der Cordhose.
    »Soziologie.«
    »Natürlich«, versetzte Meyers grimmig.
    »S wie Siegfried, O wie Ottokar, Z wie Zeppelin«, der festgenommene wartete, bis ihn der Kriminalbeamte ansah, und setzte verächtlich hinzu: »Nur für den Fall, daß Sie es nicht richtig schreiben können, Herr Kommissar.«
    Meyers wollte aufbrausen, da fing er einen Wink des im Hintergrund lauernden Kudritzky auf und beherrschte sich.
    »Kommen wir also zur Vernehmung«, sagte er und schob die Schreibmaschine beiseite.
    »Ich verweigere jede Aussage.«
    »Wenn Sie meinen, daß Sie damit weiterkommen?«
    Der Junge zündete sich eine Zigarette an, warf das Streichholz auf den Boden und lächelte tückisch.
    »Sie wollen also nichts zu Protokoll geben?«
    »Doch«, antwortete der Festgenommene. Er sah, daß Meyers zögerte. »Los«, sagte er, »schreiben Sie: Entgegen der Strafprozeßordnung«, diktierte er mit arroganter Stimme, »wurde ich von Kriminalkommissar Meyer von K III nicht darauf aufmerksam gemacht, daß ich in der Voruntersuchung vor der Polizei keinerlei Aussagen zu machen brauche und das Recht habe, meinen Anwalt zu sprechen.«
    Mitten im Satz hörte Meyers auf zu schreiben. »Sie verlangen doch nicht, daß ich diese – diese Ungeheuerlichkeit …«
    »Und ob ich das verlange!« unterbrach ihn der Student. »Schreiben Sie weiter.«
    Der vernehmende Kriminalbeamte weigerte sich.
    »So kommen wir nicht weiter, Herr Kamm«, schaltete sich Kudritzky ein und schob sich näher. »Wir wollen die Sache doch so rasch und menschlich wie möglich hinter uns bringen.«
    »Ihre Menschlichkeit kotzt mich an!« versetzte der Junge.
    »Wenn Sie sich jetzt vernünftig benehmen«, überging der Mann vom Verfassungsschutz die Anrempelung, »können Sie gehen und Ihr Soziologie-Studium …«
    »Ich werde auch so gehen.«
    »Da wäre ich nicht so sicher.«
    »Und Sie«, wandte sich der Festgenommene an den Kriminalkommissar, »können sich Ihr Papier sparen. Die Sache wird ohnedies eingestellt.«
    »Meinen Sie?«
    »Ich bin sicher«, entgegnete der Student, »daß der Strafantrag, so er überhaupt schon gestellt sein sollte, von den«, er dehnte das Wort impertinent, »Geschädigten wieder zurückgezogen wird.«
    »Das hat Ihnen wohl Herr Christian Schindewolff eingeredet«, hakte Kudritzky sofort ein.
    Er beobachtete den Studenten genau und stellte befriedigt fest, daß er bei der Nennung des Namens aufhorchte.
    »Schluß jetzt«, sagte der Verhaftete. »Nehmen Sie zu Protokoll, daß ich auf die dritte Aufforderung, meinen Anwalt beizuziehen, noch immer …«
    »Sie werden alles bekommen«, antwortete der Oberregierungsrat sarkastisch und nickte Meyers zu.
    Dann verließ er mit flinken Schritten den Raum. Er war in seinem Element; sein Element war die Menschenjagd. Er hatte einen Verdächtigen. In ein paar Stunden würde er die Namen aller Attentäter in Händen haben.
    Von da an wäre es zur Überführung Christian Schindewolffs nur noch ein kleiner Schritt.
    Kudritzky würde, ob seiner Tüchtigkeit, nicht nur einen potentiellen Staatsfeind ausmerzen, sondern eine Stufe seiner verbauten Karriere überspringen.
    Es war Abend. Erik hatte getrunken, nicht viel, doch mehr als sonst. Seine Zunge leistete dem ›Du‹ keinen Widerstand mehr. Und wenn er, vielleicht nicht ganz so zufällig, seine Hand auf Juttas Arm legte, zuckte er nicht zurück, als hätte er sich verbrannt. Er feilte auch nicht mehr die Worte, bevor er sie aussprach, und er fand sich schneller in den Schwabinger Jargon hinein, als er erwarten konnte.
    Erik hatte befürchtet, Jutta könnte ihm eine andere Gesellschaft vorziehen, doch er merkte, daß sie den Abend noch mit ihm zusammenbleiben wollte. Vermutlich hatte Erik für sie Seltenheitswert, ein Exote, noch dazu ausgestattet mit dem Vorteil, keine hautnahen Wünsche zu stellen.
    Aber das war wahrscheinlich sein Denkklischee, nicht das ihre. Sie würde wohl mit jedem ins Bett gehen, der ihr gefiele und solange sie Spaß daran

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