Auf dem Schlachtfeld der Liebe
zunächst müsse die Lady Varina zurückerobert werden. Alle stimmten ihm zu.
Am späten Abend saß er mit Hamlin und David in seiner Kabine und fragte, auf welche Weise sein Schoner gekapert worden sei.
»Schwer zu sagen, Captain«, erwiderte Hamlin zögernd. »Plötzlich tauchten Schiffe am Horizont auf - so viele, daß wir weder kämpfen noch fliehen konnten.«
»Also sehr viele? Dann müssen die Yankees über Ihren Kurs informiert gewesen sein.«
David räusperte sich, und Hamlin schaute Jerome bedrückt an. »Offensichtlich.« Schweren Herzens lehnte sich Jerome zurück.
Risas Wunsch, ihn in ein Unionsgefängnis zu bringen, konnte er verstehen. Aber warum hatte sie das Leben seiner Besatzung aufs Spiel gesetzt? »Hat meine Frau die Aktion beobachtet?«
»Ja, sie stand an Deck«, antwortete Hamlin. »Natürlich baten wir sie, die Kabine aufzusuchen. Aber sie weigerte sich.«
»Wie verhielt sie sich, als die Yankees dann an Bord
kamen?«
»Einer der Ersten Offiziere schlug ihr vor, ihn auf sein Schiff zu begleiten, und sie folgte ihm.«
Hastig fügte David hinzu: »Die Yanks haben Risa überaus freundlich begrüßt. Aber der Anblick ihrer Landsleute schien sie nicht zu beglücken, und ich glaube, sie sah keinen einzigen alten Freund.«
»Erstaunlich, daß du sie verteidigst«, sagte Jerome gedehnt. »Immerhin hat sie euch ins Elmira geschickt, ins schlimmste aller Gefängnisse.«
»Da holte sie uns auch raus«, erklärte Hamlin, »mit der Hilfe eines tüchtigen Yankee-Anwalts. Ein sehr anständiger Bursche, der uns versicherte, Recht müßte auch im Krieg Recht bleiben, und die Union sollte uns genausogut behandeln wie Sie Ihre Kriegsgefangenen, Captain. Vielleicht wollte sie nur unser Schiff kapern lassen und uns dann retten ...«
»Das spielt keine Rolle«, fiel Jerome ihm ins Wort.
»Oh, doch!« widersprach David.
»Durch ihre Schuld wurde die Lady Varina von Yankee-
Schiffen umzingelt. Nur das zählt. Und jetzt wollen wir zurückgewinnen, was uns gehört.«
Mitte Mai traf im Rebellenlager die Nachricht ein, Stonewall Jackson sei am 10. gestorben. Die Amputation seines Arms hatte er überlebt, dann war er einer Lungenentzündung erlegen. Robert E. Lee hatte ihm geschrieben, Jackson habe seinen linken Arm verloren und er selbst würde seine rechte Hand verlieren, wenn der Freund ihn im Stich lasse. Bis zuletzt war Jacksons Frau an seiner Seite geblieben. Sein Tod erfüllte den ganzen Süden mit tiefer Trauer, und sein Leichnam wurde in Richmond aufgebahrt, wo zahllose Menschen von ihm Abschied nahmen. Ironischerweise war einer der gefährlichsten Feinde der Union versehentlich von seinen eigenen Männern verletzt worden, was er nicht überlebt hatte. Diesen Gedanken fand Lee unerträglich.
Obwohl sein Tod auch Risa naheging, fand sie einen anderen Verlust viel schmerzlicher. Auf der Vermißtenliste stand Anthony Hawkins Name. Man nahm an, er sei bei einem der Scharmützel nach der Schlacht von Chancellorsville gefallen. Offenbar hatte er seine Familie nicht wiedergesehen.
Als sie davon hörte, ging sie ins Zelt, das sie mit Tia teilte, drückte Jamie an sich und weinte.
Plötzlich stürmte Tia herein. »Wie kannst du es wagen, um einen Südstaatensoldaten zu trauern? Verspottest du unseren Kummer?«
»Wenn Ian stürbe - würdest du nur weinen, um uns zu verhöhnen?«
»Ian ist mein Bruder, und Anthony Hawkins ...«
»... war mein Freund, ein ganz besonderer Mann, den ich liebgewann. Und falls du immer noch nicht weißt, daß es in diesem Krieg keine klaren Grenzen zwischen Freunden und Feinden gibt, solltest du deinen geschützten kleinen Kiefernwald mal verlassen und die Hölle da draußen kennenlernen.« Verwirrt wich Tia zurück.
»Oh, ich weiß sehr gut Bescheid. Mein Bruder ist ein
Yankee, mein Vater ein Unionsanhänger. Und meine Mutter weint unentwegt, weil sie fürchtet, wir alle würden sterben. Beinahe wurde meine Schwägerin wegen Spionage gehängt. Sydney bleibt in Washington, und niemand weiß, warum. Vielleicht wird Brent getötet, wenn eine Kanonenkugel eine der Rebellenstellungen trifft, und Jerome könnte eines Tages aus dem Wasser gejagt werden. Das alles ist mir völlig klar!« schrie sie, sank auf ihr Feldbett und schlug die Hände vors Gesicht.
Risa ging zögernd zu ihr. Würde Tia sich trösten lassen oder ihr eine schroffe Abfuhr erteilen?
Nun, ein Versuch würde nicht schaden. Risa setzte sich zu ihr. »So habe ich's nicht gemeint. Tut mir leid. In diesem
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