Auf dem Schlachtfeld der Liebe
Alptraum sind wir alle gefangen. Schade, daß du Anthony nicht gekannt hast... Er war ein guter, anständiger, tapferer Mann. Nun bedaure ich seine Witwe und seine Kinder, die niemals wissen werden, was für einen wunderbaren Vater sie hatten. Und glaub mir - ich verspotte niemanden.«
Zu Risas Überraschung nickte Tia. »Mir tut's auch leid. Du bist nun mal die Tochter eines Yankee-Generals und im Norden aufgewachsen. Dafür kannst du nichts. Oh, das alles ist so grauenhaft. Allmählich bricht Florida zusammen, wir haben zu wenig Lebensmittel und Medikamente. Nie wieder wird die Welt so sein wie früher. Ich wollte nach Europa reisen ...Statt dessen helfe ich Julian im Lazarett, sehe so viele Männer sterben und beobachte, wie Graubärte und halbe Kinder die Konföderation zu retten versuchen. Wenn's doch endlich vorbei wäre!«
»Darauf hoffen wir alle. Das Leid und die Bitterkeit sind unerträglich. Und die Verluste. Wir beide haben verletzte Yankees und Rebellen gepflegt, die starben und Eltern und Geschwister, Söhne und Töchter, Ehefrauen und Bräute zurückließen. Auch Freunde. Ich trauere um meine Freunde, Tia, auf beiden Seiten. Jeden Abend bete ich um meinen Vater, um deinen Bruder - und um meinen Mann.«
»Sag mir die Wahrheit - hast du Jerome verraten?«
»Nein, niemals«, beteuerte Risa. »Das schwöre ich.«
Prüfend schaute Tia in ihre Augen und umarmte sie.
Risa seufzte erleichtert. Endlich glaubte ihr jemand.
Bei der Umarmung wurden Jamies kleine Beine ein bißchen gequetscht. Er kreischte empört, und die Frauen begannen schallend zu lachen.
Vor einer kleinen Weile war Julian hereingekommen, auf der Suche nach seiner Schwester. Nun hob er verblüfft die Brauen. Verloren in diesem Krieg alle Leute den Verstand? Unbemerkt ging er wieder hinaus. Wie gern würde er glauben, was er soeben gehört hatte ...
Am nächsten Morgen vertraute Risa ihren Sohn Tia und Minea an, einer Creek-Indianerin, die selbst kleine Kinder hatte. Jamie schien die junge Frau zu mögen und ließ sich gern von ihr betreuen.
Als Risa zu dem Flußlauf ging, wo sie täglich badete, bemerkte sie hektische Aktivitäten im Lager. Einer von Julians Sanitätern folgte ihr diskret. Keinen Schritt durfte sie unbemerkt tun. Doch sie hatte nichts zu befürchten. Wenn sie das Ufer erreichte, blieb der Soldat jedesmal im Unterholz zwischen den Bäumen zurück und wartete.
Hastig wusch sie sich im kalten Wasser. Dann zog sie sich fröstelnd an. Während sie ihr Kleid zuknöpfte, hörte sie plötzlich Geschütze krachen. Dem Kanonendonner folgte ein Gewehrfeuer. Sie rannte zu dem Waldweg, wo der Sanitäter warten würde.
Statt dessen stieß sie beinahe mit einer ausgemergelten Stute zusammen, auf der Julian saß. »Was ist los? Wo ist Amos?«
»Ich habe ihn vorausgeschickt. Weiter unten am Fluß wird geschossen, und ich muß mich um die Verwundeten kümmern.«
»Ein Navy-Gefecht?«
»Ja, ein Schiff ist angekommen. Geh mir aus dem Weg, Risa.«
»Jerome?«
»Das weiß ich nicht.«
»Er muß es sein!«
»Wahrscheinlich.«
»Nimm mich mit, ich kann dir helfen.«
Julians Augen verengten sich. »Nein!«
»Bitte, sei vernünftig. Du weißt, daß ich dich unterstützen kann. Verdammt, wie sollte ich denn die Unionstruppen verständigt haben?«
Er zögerte. Seit ihrer Ankunft im Lager war sie ständig überwacht worden, und sie konnte unmöglich Verbindung mit den Yankees am anderen Ufer aufnehmen. »Also gut.« Er half ihr, hinter ihm aufzusteigen. »Reiten wir zum Schauplatz des Kampfs.«
Erstaunlich schnell sprengte die magere Stute durch den Wald. Nach wenigen Minuten knallten die Gewehre in unmittelbarer Nähe. Julian zügelte das Pferd, sprang zu Boden, hob Risa herunter und band seine Tasche vom Sattel los. »Duck dich!« mahnte er, und Risa gehorchte, als sie ihm zum Fluß folgte.
Über dem Wasser schwebten Pulverrauchwolken, ein Phantomschiff glitt durch den schwarzen Nebel, und Risas Atem stockte.
Die Lady Varina! Neu gestrichen, umgetauft. Jetzt hieß sie Glory. Aber es war Jeromes Schiff. Ohne jeden Zweifel.
War er an Bord?
Wie der Geheimdienst der Konföderation herausgefunden hatte, war die Lady Varina zum Fernandina Beach gebracht worden. Dort sollte sie die Blockade verstärken, die sie einst durchbrochen hatte. Es war nicht einfach, sie zurückzugewinnen. Aber Jeromes Entschluß stand fest. Wenigstens hatten sich die Yankees wieder einmal aus Jacksonville zurückgezogen, und der Hafen befand sich in
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