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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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Hemden nass. Denn als wir in dieser Scheune völlig
durchgeschwitzt angekommen waren, mussten wir, weil es dort kühl wurde, unsere
noch trockenen Sachen anziehen. Aber auch die haben wir dann auf den letzten
Kilometern zum Gipfel wieder durchgeschwitzt. In der Herberge kann man zwar
seine Sachen waschen, aber mit dem Trocknen gibt es Probleme. Draußen hat
wieder der Regen eingesetzt und hier, im Innern der Herberge, wird bis morgen
früh nichts trocknen. Zum Glück ist mein Pullover im Rucksack nicht feucht
geworden und ich kann ihn jetzt gegen meine nassen, klebrigen Hemden
austauschen. Wie das dann morgen wird, darüber will ich jetzt noch gar nicht
nachdenken. Ich bin hier ja nicht der einzige mit solchen Problemen. Und morgen
ist ein neuer Tag.
    Hier, auf
dem Cebreiro, gab es schon in der frühesten Zeit der Pilgerbewegung ein
Refugium und Aymeric erwähnt in seinem Pilgerführer aus dem Jahre 1130 schon
ein Hospiz. Historisch lässt sich sogar nachweisen, dass Alphons VI. — wir
kennen ihn schon von seinen Rangeleien mit dem El Cid — dieses kleine Kloster
bereits im Jahre 1072 französischen Mönchen übergeben hatte. Später wurde es
dann von Benediktinern übernommen und erst im Jahre 1853, in der Zeit der
Säkularisierung, mussten die Mönche endgültig den Cebreiro, ihren heiligen
Berg, verlassen.
    Schon in der
ersten Regenpause verlasse ich die Herberge, die am Rande des kleinen Weilers
liegt. Erst jetzt stelle ich fest, dass man hier oben auf einer Plattform wie
auf einem Aussichtsturm steht und nach allen Seiten, vor allem in das hügelige
Galicien hinunter, einen überwältigenden Rundblick hat. Die Landschaft, in der
wir jetzt angekommen sind, hat sich völlig verändert. Grüne Wälder, grüne
Wiesen, weiter unten kleine Felder, eingefriedet von Mauern aus Natursteinen
oder auch von großen Laubbäumen umwachsen. Vielleicht einer schottischen
Landschaft vergleichbar, nicht aber dem Land, durch das wir seit Wochen
gewandert sind. Auch der ewig blaue Himmel scheint weit weg von uns zu sein.
Jetzt, gegen Abend, ist er fahl und vielerorts quellen schwarze Wolken
ineinander. Es wird wieder regnen.
    Die wenigen
Häuschen in Cebreiro, aus blaugrau schimmernden Natursteinen gebaut, ducken sich
breit und schwer auf die Erde, als wollten sie dem ewigen Wind und Regen
trotzen. Bei einigen von ihnen sind noch die Dächer mit Ginsterstroh gedeckt.
Das sind die sogenannten „pallozas“, Rundhütten, die wohl auf eine uralte
keltische Tradition zurückweisen.
    Interessant
ist auch die kleine, ebenfalls aus Natursteinen gebaute, vorromanische Kirche
Santa Maria la Real, die schon im 9. Jahrhundert errichtet worden ist. Sie hat
eine Vorhalle und ist, in der Grundstruktur einer Basilika, dreischiffig mit
rechteckigen Apsiden gestaltet. Im Innenraum steht eine romanische Marienfigur,
auf ihrem Schoß sitzt der Jesusknabe, segnend und mit fast schon erwachsenem,
jedenfalls aufgewecktem Gesicht. Maria hat der Künstler nicht als liebliche
Maienkönigin gesehen, eher als selbstbewusste Bäuerin, die das Leben kennt und
die Tragik, die auf sie zukommt, schon ahnen mag.
    In einer
halben Stunde, es wird schon langsam dunkel, soll in diesem Kirchlein eine
Pilgermesse gelesen werden. Meine Gefährten sind noch in der Herberge, ich aber
laufe ein paar Schritte an der Steinmauer entlang, die hinter der Kirche das
Dorf begrenzt. In den Tälern hat sich die Nacht schon festgesetzt.
    Paolo
begegnet mir, der hier ebenfalls alleine herumläuft.
    „Kommst du
mit in die Pilgermesse?“ frage ich ihn.
    „Wann soll
da eine Messe sein?“
    „Na gleich,
in einer Viertelstunde.“
    „Gut, dann
gehen wir in die Kirche.“
    Dort hat
sich schon eine ganze Reihe von Pilgern eingefunden und auch wir suchen uns eine
Bank. Links von mir kniet Paolo und rechts von mir Maurits, der „Liebe Gott“,
und Tobias und Heinz. Ich habe schon an der Brücke über den Pisuerga erzählt,
wie wir vergeblich auf den Pfarrer warteten und wie dann der „Liebe Gott“ und
Tobias ein lateinisches Kirchenlied sangen und dass es dann plötzlich im linken
Seitenschiff ein Aufsehen gab.

    Ein ganz
anderes Aufsehen hat es in diesem Kirchlein vor vielen hundert Jahren gegeben.
Da pfeifft ein eiskalter, gewaltiger Schneesturm durch die Mauern von Cebreiro
und niemand, nicht einmal die Hunde, wollen vor die Haustüre. Auch Pater
Fidelis will im warmen Klosterstübchen vor dem offenen Feuer sitzen bleiben und
behaglich seinen Rotwein weiterschlürfen. Eigentlich

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