Auf dem spanischen Jakobsweg
gekommen war: Germanische Sueben hatten Gallaecia, das damalige Ende
der Welt erreicht.
Das
Entsetzen war gewaltig und der Kirchenlehrer Paulus Orosius aus Braga packte,
als er diese Kerle im Jahre 414 zum ersten Mal sah, panikartig seine Sachen und
floh ins christliche Nordafrika. Dort hatte er die Sueben so beschrieben:
Große, blonde Hünen, bärtig und
fast immer bewaffnet. Das lange Haar in der Schlacht geflochten, als Waffen
furchtbar lange Lanzen, kleine Schilde und doppelseitige Äxte. Viele Frauen mit
langen blonden Zöpfen, die zwischen Hunden und Ochsenkarren im Laufen ihre Säuglinge
stillen. Barbaren, die den Wald anbeten, ihren ganzen Hausrat mit sich
herumschleppen und plündern, wo sie erscheinen.
Vielleicht
sind es nicht mehr als 30.000 gewesen, die — zusammen mit Vandalen und Alanen —
in der Silvesternacht des Jahres 406 den zugefrorenen Rhein überschritten hatten
und dann drei Jahre später auf der Iberischen Halbinsel aufgetaucht waren. Die
römischen Legionäre konnten sie jedenfalls nicht aufhalten, der Niedergang Roms
und seiner Armee hatte bereits begonnen. Und die Westgoten, immerhin
germanische Stammesbrüder der Sueben, aber zeitweise mit den Römern verbündet,
zogen damals auch noch unruhig durch die Lande, fingen erst später an, ihr
großes Reich aufzubauen.
Doch auch so
ein umherschweifender, plündernder Haufen wollte einmal zur Ruhe kommen. So
erschien im 6. Jahrhundert das suebische Königreich Gallaecia in der
Geschichte, stabil und bereits christianisiert. Nur: inzwischen kontrollierten
die Westgoten von Toledo aus den größten Teil Spaniens und eroberten im Jahre
585 auch Braga, die Residenz der Suebenkönige, womit deren Reich von den
Westgoten geschluckt wurde.
711 kamen
die Mauren, die Muslime, nach Spanien. In Gallaecia wollten sie allerdings
nicht auf Dauer bleiben, dort regnete es ständig und das arme zerklüftete
Hügelland war nur mühsam zu kontrollieren. So begnügten sie sich hier mit
gelegentlichen Überfällen und die christlichen Strukturen konnten überdauern.
Strategisch gesehen war das von den Mauren vielleicht ein Fehler. Denn jetzt
flohen viele Christen vor dem Islam in den Norden und sehr bald schon sprach
man hier über die Rückeroberung der verlorenen christlichen Gebiete, dachte man
über die Reconquista nach. Im benachbarten Asturien wurden dann diese Kräfte,
beginnend mit Pelayo, gebündelt. Das war derjenige — wir haben es schon gehört
— , der den maurischen Gouverneur Munusa vor die Türe setzte, als der um die
Hand seiner Schwester anhalten wollte.
Der
asturische König Alfons II., der Keusche, integrierte Galicien bereits im 9.
Jahrhundert in das asturische Königreich. Während seiner Herrschaftszeit wurde
das Grab des Jakobus gefunden. Galicien aber blieb bis zu den Eroberungszügen
Al Manzurs gegen Ende des 10. Jahrhunderts von den Mauren verschont. Al Manzur
war jedoch nur ein Plünderer, war keiner, der eroberte Gebiete hätte halten und
befrieden können.
In
Triacastela, gute zwanzig Kilometer nach dem Cebreiro und schon über 600 Meter
tiefer gelegen, übernachten wir in der Pilgerherberge. Eigentlich wollten wir
noch bis zum Kloster Samos weiterlaufen. Aber es hat vor einiger Zeit aufgehört
zu regnen und so haben wir hier wenigstens eine Chance, endlich unsere feuchten
Kleider zu waschen und vor allem im Wind trocken werden zu lassen.
Ich werde Dolmetscher im Kloster Samos
Am nächsten
Morgen brechen wir bei leichtem Regen auf. Aber wenigstens unsere Kleider im
Rucksack bleiben trocken. Mit den Sachen am Körper ist es allerdings
problematischer. Nicht etwa, weil unsere Regencapes nicht dicht wären. In der
schwülen und feuchten Luft fängt man unter der Regenhaut jedoch schnell an zu
schwitzen und so weiß man eigentlich nicht, was besser oder angenehmer ist:
sich nass regnen zu lassen oder von innen allmählich im Schweiß zu baden.
Nach meinem
Pilgerführer müssten wir jetzt bis zum Kloster Samos auf einer Landstraße
laufen. Das ist aber keineswegs zwingend, wie sich aus dem kleinen Reiseführer
von Tobias ergibt. Denn schon etwa drei Kilometer hinter Triacastela kann man
auf schmalen, markierten Wanderwegen, zum Teil auch auf Pfaden, die immer
wieder die Richtung wechseln, weitergehen.
Die grüne,
taufrische Vegetation mit den vielen Rinnsalen und sprudelnden Bächen, das
Tropfen von Büschen und Bäumen, der ständige Wechsel von grellem Lichteinfall
und plötzlicher Düsternis, lassen auch
Weitere Kostenlose Bücher