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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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einem Mönch über die Zerstörung der alten
Pilgerwege zu schimpfen. Aber feinsinnige kunsthistorische Ausführungen über
dieses ehrwürdige alte Kloster aus dem Stand ins Deutsche zu übersetzen? Ich
erkläre ihm spontan, dass ich das auf keinen Fall könne. Aber da lacht er nur,
der große, energische Mann und ich weiß, dass jede Gegenwehr absolut sinnlos
ist, dass das für mich nur den Kirchenbann nach sich ziehen würde, bestenfalls
den Hinauswurf aus dieser Abtei. Ein letzter Fluchtversuch in eine andere
Richtung, ob vielleicht unter unseren hinzugekommenen Landsleuten jemand sei,
der Spanisch könne, scheitert auch. Für mich hat die Falle endgültig
zugeschnappt. Aber ein bisschen Luft bekomme ich doch noch: Wenn die alle
überhaupt kein Spanisch sprechen, wie sie soeben treuherzig versichert haben,
dann kann ich ihnen ja eine ganze Menge erzählen, gelesen habe ich schon vorher
einiges über dieses Kloster. Kunsthistoriker sind auch nicht in unserer Gruppe,
das sieht man sofort an den Köpfen. So ziehen wir also mit einer
liebenswürdigen Señora durch die altehrwürdigen Mauern und unsere Señora
erklärt uns das Kloster und seine Geschichte, und ich erzähle alles, was ich
darüber gelesen habe und mische hinzu, was mich von den Ausführungen unserer
Señora erreicht und alle sind glücklich und fühlen sich am Ende unseres
Rundganges bereichert und in ihren Kenntnissen über Spanien gestärkt. Zum
Schluss verabschieden wir uns artig von allen und dem „Feuerkopf“ schüttle ich
beim Hinausgehen besonders herzlich beide Hände.
    Durch Regen
und wieder Sonne geht es weiter und am Nachmittag kommen wir in der
Pilgerherberge in Sarria an.
     
     

Eine Stadt
versinkt in den Fluten und taucht doch immer wieder auf
     
    Auf dem Weg
von Sarria nach Portomarín, unserem heutigen Etappenziel, laufen wir wieder
kreuz und quer auf Trampelpfaden und schmalen Wegen über ein grünes Hügelland,
durch Eichenwälder und an Viehherden vorbei, über Forellenbäche hinweg und
mitten durch viele kleine Weiler. Diese kündigen sich meist schon dadurch an,
dass die umliegenden Felder und Weideflächen mit Granitsteinen, oft auch mit
Schieferplatten eingefriedet sind, die man hier „chantos“ nennt. Die ärmlichen,
grauen Häuser, immer verwittert und von grünlichen Flechten überzogen, wirken
zwar stabil, manche stehen allerdings auch hier leer. Wenn erst einmal die
Schieferdächer eingebrochen sind, werden auch diese Katen schnell verfallen.
Andererseits sieht man in diesen kleinen Dörfern doch überall Menschen, ihre
Gesichter wirken ernst und mit der Erde verwachsen. Aber sie sind uns Pilgern
gegenüber keineswegs so zurückhaltend, wie ich das gelegentlich gelesen habe.
Ihr galicischer Dialekt, eine romanische, keineswegs eine keltische Sprache,
wie manche annehmen, ist allerdings auch dann kaum zu verstehen, wenn man sich
mit ihnen nur über ihre Kühe und den Regen zu unterhalten versucht. Ja, die
Kühe! Für sie muss dieses feuchte, grüne Land ein Paradies sein. Immer wieder
begegnen uns auf den schmalen Wegen kleinere Herden, gelegentlich aber auch bis
zu zwanzig, dreißig Tiere und dann gibt es für uns eine Wanderpause, bis alle
vorbeigelaufen sind. Sie haben keine Eile, bleiben stehen und glotzen uns
neugierig an, aber auch wir haben viel Zeit. Noch größer werden die
Verzögerungen, wenn wir an solch eine Herde von hinten herangelaufen sind.
Überholen ist nicht möglich, weil das Land links und rechts der schmalen Wege
eingefriedet ist oder wir gerade durch einen der vielen Hohlwege wandern. So
geht es dann eben nur im Kuhtrott weiter, bis zu ihrer Weide oder bis zum
nächsten Dorf. Auf den Gassen dieser Dörfer liegt oft eine propere Schicht von
verrottetem Kuhdung, weich und dick wie ein Orientteppich. Das tut unseren
Pilgerfüßen gut und wir gleiten lautlos durch diese Weiler.

    Am frühen
Nachmittag öffnet sich vor uns ein breites Tal und wir wissen, dass dort unten
Galiciens größter Fluss, der Río Miño, fließen muss. Noch bevor wir den Fluss
selbst sehen, treten oben, am gegenüberliegenden Hang, helle Häuser eines
Kleinstädtchens in unser Blickfeld. Das muss Portomarín sein, unser heutiges
Ziel. Vor unseren Augen taucht plötzlich eine mächtige, auf hohen, vierkantigen
Betonstelzen stehende Brücke auf, die in moderner Geradlinigkeit den Miño
überspannt und die Landschaft überdimensional beherrscht. Und parallel zu ihr,
im Abstand von nur wenigen Metern, aber nur knapp aus dem Wasser

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