Auf dem spanischen Jakobsweg
vertriben und den beiden dasselbig land eingeben. Auch so isst er und
trinkt und get gekleidet und betet alls auf den heidnischen sitten, und ist den
cristen feind... Also liess er meinen Herrn an dem dritten tag für sich. Do saß
er und die kunigin bei einander auf der erden...
Wie das eben
im Orient mit dem Sitzen so üblich war.
Sehnsucht
nach Frankfurt am Main
Ich habe in
meinem „Sperrholzkasten“ in der Herberge zu Sahagún wunderbar geschlafen. Auch
das Frühstück muss man hier nicht im Stehen einnehmen. Sobald mein Rucksack
gepackt ist, setze ich mich an einen der Tische im Eingangsbereich des früheren
Kirchenschiffs und trinke eine große Flasche Kakao leer, esse Kuchen dazu, den
ich mir gestern noch gekauft habe und beende diesen Frühstücksschmaus mit zwei
großen Pfirsichen. Solchermaßen gestärkt, verlasse ich mit Heinz und Tobias
kurz nach sieben Uhr morgens die Herberge und einige Zeit später das Städtchen
selbst, dort, wo die schon erwähnte historische Brücke Puente de Canto den Río
Cea überspannt.
Gleich nach
der Brücke wächst auf der rechten Seite ein idyllisches Pappelwäldchen und
damit hat es auch wieder eine besondere Bewandtnis aus dem Reich der Legenden,
die am Jakobsweg noch üppiger sprießen als dieser Pappelhain am fruchtbaren
Ufer des Cea.
Für diese
Legende müsste man aber gar nicht so weit wandern, wie wir es getan haben.
Betrachten kann man, was sich hier in grauer Vorzeit zugetragen hat, auf einer
der silberziselierten Tafeln am Schrein Karls des Großen im Dom zu Aachen.
Nachlesen kann man es im vierten Teil des „Jakobsbuches“, dem schon früher
erwähnten „Liber Sancti Jacobi“, einem Sammelwerk aus dem 12. Jahrhundert über
Geschehnisse am Jakobsweg des frühen Mittelalters. Karl der Große war wieder
einmal auf dem Kriegspfad gegen die Sarazenen, die Mauren. So kam er mit seinen
Reitern in den Abendstunden an das Flüsschen Cea, an den Platz nämlich, wo
heute dieses Pappelwäldchen steht. Am nächsten Tag, noch ehe er richtig
begonnen haben soll, sollte es zur Schlacht mit den Mauren unter deren Führer
Aigólando kommen. Vom langen Reiten müde, setzten sich die christlichen Ritter
an ihre Lagerfeuer und steckten, bevor sie einschliefen, ihre Lanzen mit dem
Schaft nach unten in die weiche, sandige Erde. Aber schon bei Anbruch des
nächsten Tages sahen viele von ihnen, dass ihre Lanzen von Rinde ummantelt
worden sind und auch schon grüne Zweige trugen, — ein Zeichen, das nur so
gedeutet werden konnte, dass die Träger dieser Lanzen noch an diesem Tag für
ihren Glauben mit dem Märtyrertod ausgezeichnet werden sollten. Dicht über dem
Boden schnitten sie vorsichtig ihre Lanzen ab und zogen in den Kampf. 40000 von
ihnen, darunter auch Milon, der Vater des uns schon bekannten Helden Roland,
lagen am Ende in ihrem Blut, sogar das Pferd Karls des Großen überlebte die
grausame Schlacht nicht.
Aus den
abgeschnittenen Schäften der Lanzen aber, die als Wurzeln in der Erde
zurückgeblieben waren, wuchs später ein großer Wald, in dem man noch heute
friedlich Spazierengehen kann.
Wir müssen
jetzt einige Kilometer, bis Calzada del Coto, auf dem Asphalt der Nationalstraße
120 laufen. In Calzada hat man dann zwei Möglichkeiten: Man kann eine ziemlich
neu angelegte Piste bis El Bur-go Raneros, unserem heutigen Etappenziel,
benutzen oder aber nach rechts abbiegen und über das Dorf Calzadilla de
Hermanillos auf einem ebenfalls markierten Weg weiterwandern, dessen
Streckenverlauf der Via Traiana, einer ehemaligen Römerstraße, entspricht.
Tobias und
ich — Heinz ist uns inzwischen davongelaufen, mit ihm können wir uns nicht mehr
abstimmen — ziehen unsere beiden Pilgerführer zu Rate. Einer der beiden weist darauf
hin, dass die neu angelegte Piste „künstlich“ wirke und das Authentische des
Jakobsweges vermissen lasse und obendrein auch noch ständig in der Nähe der
neuen Autobahn verlaufe, während die Alternative über Calzadilla „den Vorteil
größerer Einsamkeit“ biete.
Da unser
Bedarf an diesen artifiziellen Pisten schon lange gedeckt ist, sind wir uns
schnell einig: wir werden über Calzadilla laufen, auch wenn das ein Umweg ist.
In der Tat
wandern wir hier dann durch einen besonders einsamen Teil der Meseta. Hinter
Calzada del Coto überschreiten wir zunächst eine Eisenbahnlinie, danach geht es
auf einem schmalen Sandweg durch abgeerntete Getreidefelder weiter, die
zunehmend in versteppte Grasflächen übergehen.
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