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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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Allmählich tauchen vereinzelt
auch ein paar Bäume auf und schließlich führt der Weg durch einen
niedrigwüchsigen, ausgedehnten Waldbezirk. Es ist sehr einsam hier, Menschen
begegnen uns nicht, nur der Sand knirscht unter unseren Schuhen.

    Noch im 17.
Jahrhundert waren diese Landstriche auf viel größeren Flächen als heutzutage
mit Niederholz oder auch nur mit Buschwerk bedeckt.
Entsprechend groß war die Wolfsplage. Unser schon erwähnter Pilgerbmder
Domenico Laffi aus Bologna, der vor über dreihundert Jahren wanderte, fand am
Wegesrand einen toten Pilger, an dem Wölfe herumfraßen. Mamma mia, da wird
unser Domenico aber die Augen aufgerissen haben und gelaufen sein!
    Die Meseta
aber hat sich heute für uns eine andere Überraschung als die ewige Gluthitze
oder gar Wölfe ausgedacht. Es bläst uns ein zwar warmer, aber immer
hartnäckiger werdender Wind mitten ins Gesicht und wir müssen mit sehr viel
Kraft gegen ihn anlaufen, um überhaupt vorwärts zu kommen. Am Ende des Waldes,
nach zweistündigem Fußmarsch, treffen wir auf einen Pilgerbrunnen, können
unseren Durst löschen, unsere Aluminiumflaschen auffüllen und etwas
verschnaufen. Noch immer ist uns keine Menschenseele begegnet.
    Das Dorf
Calzadilla liegt auf einer Anhöhe. Je näher wir kommen, desto unerbittlicher
bläst der Wind. Endlich erreichen wir die ersten Häuser des Dorfes, das wie
ausgestorben wirkt. Ist es der Wind, der die Dorfbewohner an die Häuser fesselt
oder leben auch hier nur noch wenige Menschen? Wir hätten Verständnis dafür,
denn das hier scheint wirklich ein besonders gottverlassener Winkel zu sein.
Doch da läuft eine Frau über die Straße, von der wir erfahren, dass die einzige
Bar des Dorfes erst am Nachmittag öffnen wird. Wir hatten gehofft, vor dem Wind
für eine Weile Unterschlupf zu finden und auch gegen unseren gewaltigen Hunger
etwas tun zu können. Wegen dieses Windes, der sich zwischenzeitlich zum Sturm
ausgewachsen hat, erscheint es unmöglich, außerhalb dieser Siedlung, in der
baumlosen Weite, Rast zu machen. So kauern wir uns in den Windschatten einer
Hauswand und holen Brot, Salamiwurst und Schinken aus unseren Rucksäcken.
Plötzlich kommt ein kleines Hündchen um die Ecke und leistet uns Gesellschaft.
Der Sturm scheint den Schinkengeruch nicht an seiner Nase vorbeigeblasen zu
haben. Wie gut für den kleinen Kerl, dass die Bar nicht offen ist und wir hier
auf der Straße sitzen müssen, so dass er gemeinsam mit uns dinieren kann.

    Hinter
Calzadilla geht es auf einer schmalen Landstraße weiter, aber Autofahrer
scheint es hier in dieser Gegend auch keine mehr zu geben. Irgendwann müssen
aber doch mal Menschen hier gewesen sein. Denn die ehemalige Römerstraße, auf
der wir nach unserem Pilgerführer jetzt laufen müssten, ist verschwunden.
Vielleicht hat man sie in den Prado, das spanische Nationalmuseum in Madrid,
verfrachtet? Oder hat man sie einfach zuasphaltiert?
    Am frühen
Nachmittag kommen wir in El Burgo Ranero an, etwas erschöpft, obwohl wir heute
kaum mehr als zwanzig Kilometer gelaufen sind. Das größere Dorf, vielleicht ist
es sogar ein Kleinstädtchen, hat eine, im Stil der Meseta aus Lehm gebaute,
neue und sehr angenehme Herberge. Heinz ist bereits eingetroffen, er hatte die
andere Alternative gewählt, aber auch ihm hat der Wind zugesetzt. So duschen
wir, legen uns auf unsere Betten und dösen ein bisschen vor uns hin. In der
Nähe der Herberge gibt es eine Bar, ein dazugehöriger größerer Nebenraum dient
als Restaurant. Wir setzen uns in diesen Raum und trinken einen „café grande“.
Wo gibt es besseren Kaffee, als in den kleinen spanischen Bars auf dem Lande?
Und noch etwas gibt es hier. Die eine Längswand dieses Raumes, in dem wir
sitzen, ist in bunter, naiver Malerei mit Szenen vom Jakobsweg bemalt, ähnlich
wie man früher bei uns, in meiner Heimat, manche Dorfwirtshäuser mit Jagd- und
Wildererszenen ausgemalt hat. Wir sind die einzigen Gäste, aber nebenan in der
Bar sitzen offensichtlich alle Männer des Dorfes beim Kartenspiel und es geht
ziemlich laut zu, wie überall auf der Welt, wo Männer auf dem Lande Karten
spielen. Diese Männer hier haben kantige Köpfe und schwere, kompakte Körper,
das harte Leben in der Meseta hat sie geprägt. Mit der Göttin der Anmut sind
sie wohl nicht in direkter Linie verwandt, aber mir scheint, dass sie voller
Kraft und Leidenschaft stecken.

    Wieder
draußen auf der Straße, laufen wir im Ort herum. Vor den sonst so hohen,

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