Auf dem Weg nach Santiago
auf den Bau des Pont-Neuf - heute Pont-Saint-Michel — bis
1378 warten muß; die »Neue Brücke« zu Paris überspannt als zweite, mit dem
Petit-Pont, die Seine von der Cité zum linken Ufer hin. Der Petit-Pont besteht
lange Zeit aus Holz und brennt oft nieder. Im 11 .Jahrhundert stehen stets
schmale, baufällige Häuser darauf, doch ruht er fortan auf Steinpfeilern. Schon
das geringste Hochwasser bringt ihn zum Einsturz. Im Jahre 1206 bricht er
unmittelbar nach dem Übergang einer Prozession zusammen. Jedesmal wenn diese
Brücke, so 1281 und 1296, ins Wasser fällt, stürzen etwa dreißig Häuser mit in
die Fluten. Im Jahre 1325 bringt das Treibeis der Seine sie zum Einstürzen. Sie
wird 1369 neu erbaut, ebenso 1394 und 1407. In dem letztgenannten Jahr ist das
Treibeis so mächtig, daß es auch den Pont-Neuf davonträgt; man kann nur noch
mit einer Fähre aufs andere Ufer übersetzen. Der Petit-Pont brennt 1718 noch
einmal. 18
Unser anonymer Pilger aus Florenz
beschreibt in einem Reisebericht alle Brücken zwischen der Toskana und
Galicien, etwa die von Romans, »eine Steinbrücke mit einem schönen kleinen
Schloß mitten darauf«, 1651 vom Hochwasser der Isère davongeschwemmt; oder etwa
die Jakobusbrücke am Ausgang von Toulouse, »eine Holzbrücke mit einem Dache,
sehr lang und groß, über einen breiten und mächtigen Fluß«. 19 Auch
die Brücke von Saint-Jean-Pied-de-Port ist überdacht, zweifellos, um gegen den
Schneedruck zu schützen.
Ein anderer Wallfahrer, Arnold von
Harff, ein zwanzigjähriger Deutscher, stellt im Jahre 1496 ebenfalls eine Liste
der Brücken auf, beschränkt sich jedoch auf Steinkonstruktionen, 20 wie sie noch heute an ihrem hochgewölbten Rücken, ihrem groben Pflaster und
ihren Ausbuchtungen zu erkennen sind, in die sich die Fußgänger bei der
Durchfahrt der Pferdegespanne flüchteten.
Die Brücken sind als unvermeidliche
Übergangsstellen Orte zusammenströmender Menge, Plätze der Begegnung und des
Austausches. Sie sind gebaut, um zu verbinden, um zu vereinen, lebenswichtige
Nahtstellen. 1188 wird in Oloron ein neuer Übergang von der Provinz Béarn nach
Navarra eröffnet — die Wallfahrer sind beileibe nicht die letzten, die ihn
nehmen. »Es sei allen kundgemacht«, so erklärt die Urkunde, »daß unser
wohledler Herr Gaston erachtet, die Ehre und der Gewinn aus dem Markt von
Navarrenx kämen ihm und seinem Landsitz zu. Er will, daß zu Navarrenx eine
Steinbrücke errichtet und jeden zweiten Mittwoch ein Markt abgehalten werde.
Die Marktgrenzen liegen zwischen dem Gave und dem Bach, der am Schloß von
Navarrenx vorbeifließt, und enden einerseits am Dorf und andererseits am Weg
nach Navarra, der nach Meritin führt, wo das Kreuz als Wegweiser dient. In
diesen Grenzen erfreut sich jedermann des Rechtsschutzes, außer er habe einen
aus dem Begareau oder anderswo getötet oder gefangengenommen oder verletzt
[...]. Doch auch in diesem Fall geschieht ihm nichts zuleide, falls er sich
ausgesöhnt hat .« 21
Die Brücke — eine Rettung, zweifellos,
öfters aber ein Ort des Schauderns, dann etwa, wenn sie über einen Abgrund
führt. In allen Santiagopilgerliedern ist die Rede von einer berüchtigten
Brücke über den Río Eo, nahe der Hafenstadt Ribadeo:
Quand nous fûmes au pont qui tremble
Bien étonnés
De nous voir une troupe ensemble
Fort exposés
Voyant les ondes de la mer
Dans leur furie
Dont le choc nous faisait trembler
Et craindre pour la vie
Nous priions la Vierge Marie . 22
Als wir auf der schwankenden Brücke
standen,
Waren wir sehr betroffen,
Unsere ganze Gruppe So gefährdet zu
sehen.
Wir sahen die Meereswellen In ihrer
Wut.
Ihr Anprall ließ uns zittern Und ums
Leben fürchten.
Wir riefen die Jungfrau Maria an.
So singt das »Große Wallfahrtslied«.
Und die Pilger aus Aurillac:
Quand fuguerem sus lo pontet
Qual tremo al pas qu‘om fa!
Crediam morir! A patz, a patz
Salva los pelgrins, San Jacm . 23
Als wir auf der kleinen Brücke waren,
Welches Beben bei jedem unserer
Schritte!
Wir glaubten zu sterben. Ruhe! Ruhe!
Rette die Pilger, Sankt Jakob!
Oder auch so:
Quand nous vînmes au pont qui tremble
Nous étions bien trente ensemble
Tant de Wallons que d’Allemands
Et nous disions, s’il vous semble
Compagnon, marchez devant! 24
Als wir auf die schwankende Brücke
kamen,
Waren wir wohl unser dreißig,
Teils Wallonen, teils Deutsche.
Und wir sagten: Wenn es dir beliebt,
Gefährte, geh voran!
In
Weitere Kostenlose Bücher