Auf dem Weg nach Santiago
seinem Buch L’homme, ce pèlerin beschreibt der Schriftsteller Georges Blond äußerst lebendig eine solche
Flußüberquerung durch eine Gruppe von Pilgern aus Le Puy zur Zeit des
Hochwassers; es handelt sich um den Lot bei Coursavy in der Nähe von Conques:
»Pilger,
die schon einige Zeit vor der Gruppe des Pater Martin das Kloster verlassen
hatten, waren bereits am Fluß und dabei, ihn zu überqueren. Unter ihnen
befanden sich Leute zu Fuß und zu Pferd. Das Wasser ging an den Enden der Brücke
bereits über die Ufer wie bei Estaing, nur sehr viel höher. Von der Brücke bis
zu dem noch nicht überschwemmten Land war eine Kette gespannt. In deren Mitte
hatte man eine zweite Kette befestigt, die am anderen Ende ein aus Baumstämmen
gefertigtes Floß hielt; es wurde mit Hilfe dicker Seile zum Ufer
hinübergezogen, so daß es einen Halbkreis beschrieb. Am anderen Ende der Brücke
war dasselbe Notfährsystem in Betrieb. Die ganze Anlage schien zuverlässig, die
Überfahrt war aber keineswegs gemütlich. Die Reiter bestiegen das Floß, indem
sie ihre vom Brausen und Wogen des Wassers erschreckt scheuenden Pferde zogen
oder stießen. Die Laienbrüder, die am Ufer standen, gaben das Floß allmählich
frei, indem sie die um Baumstümpfe gewickelten Seile ruckweise nachließen; die
Strömung riß den Behelfsnachen gewaltsam flußabwärts; das Wasser wirbelte wild
um das Floß und überschwemmte es teilweise; die Pferde wieherten vor Schrecken,
und auch die Männer, die kniend sich an das Floß klammerten und die Tiere nur
unter Schwierigkeiten festhalten konnten, schienen kaum ruhiger zu sein. Man
sah, wie die weit flußabwärts hinausgespannte Floßkette zitterte. Sofort
begannen die auf der Brücke stehenden Brüder, mit aller Kraft die Zugseile
einzuholen, und langsam kam das Floß zu ihnen heran; Männer und Pferde stiegen
aus. Dasselbe Manöver setzte sodann ein, um auf das andere Ufer überzusetzen.
[...] Natürlich konnte man es nicht verhindern, daß einen in dem Augenblick, da
das Floß halb überschwemmt in der reißenden Strömung an der aufs äußerste
gespannten Kette zerrte, die Angst packte; alles blickte dann auf die
gedrungenen, barhäuptigen Ordensbrüder, die mit bis zu den Schenkeln
hochgeschürzten Kutten dastanden und an den Seilen zogen — wahre Retter in der
Not — , und man hatte den Eindruck, daß die Steinbrücke nur allzu langsam näher
kam.« 25
Abends in der Herberge erzählen die
erfahrenen Pilger Wunderberichte; das Göttliche, das darin zum Ausdruck kommt,
stärkt die unerfahrenen Gefährten und flößt ihnen Vertrauen ein. Hier ein paar
solcher Geschichten:
Eines Tages macht ein starkes
Hochwasser einen Flußübergang besonders gefährlich. Etwa tausend italienische
Pilger und Pilgerinnen bleiben am Ufer stehen. Niemand unter ihnen wagt sich
auf den zerbrechlichen Brückensteg. Da hebt Bona aus Pisa, eine zukünftige
Heilige, die unter ihnen weilt, die Arme flehend zum Himmel und tritt als erste
auf die Brücke. Sie geht hinüber und alle hinter ihr her. Auf ihrer Heimkehr
bezeugen sie mit Begeisterung, die Heiligen hätten den Steg gestützt, während
Bona betete. 26 (Es ist für Bona weder die erste noch die letzte
Reise nach Compostela; sie hat gelobt, auf diese Weise die Pilgergruppen zu
begleiten; später wird sie Schutzpatronin der Stewardessen.)
Am Ausgang der Schluchten des Hérault
muß man eine gefahrvolle Furt durchqueren, um nach Saint-Guilhem-le-Désert
hinüberzugelangen. Kein Mensch war je in der Lage, über diese stürmischen
Fluten eine Brücke zu schlagen, kein Mensch — nur der Teufel. Mit ihm also
paktiert Wilhelm von Gellone, der künftige heilige Wilhelm, Feldherr und
Gefährte Karls des Großen; er gründet hier eine Abtei. Das Verhandeln mit dem
Teufel erweist sich als schwierig. Trotzdem kommt es zu einem Vertragsabschluß.
Wilhelm verspricht, dem Satan die Seele dessen zu überlassen, der als erster
die Brücke überschreitet. Der Teufel erbaut daraufhin eine prachtvolle Brücke
aus Stein und lauert auf sein Opfer. Doch Wilhelm jagt seinen Hund hinüber; er
überquert als erster die Brücke des Teufels. Als der Satan sich gefoppt sieht,
versucht er mit allen Kräften, sein Bauwerk zum Einsturz zu bringen. Vergebens.
Noch heute trägt es den Namen Teufelsbrücke. 27
Der Anonymus von Florenz beschreibt das
kleine Bollwerk, das mitten auf der vielbesungenen Brücke von Avignon den Weg
versperrt und »von dreißig Mannen des Königs von Frankreich
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