Auf dem Weg nach Santiago
and made
wit Mont Joiez from the land of Engelond unto Sent Jamez in Galis« (Hier
beginnt der mit montjoies gekennzeichnete Weg von England nach Santiago
in Galicien). 5 Jean de Tournai sucht in einer einförmig verschneiten
Gegend seinen Weg: »Wir stießen unseren Stab oft tief in den Schnee, um zu
wissen, ob da nicht irgendwo eine montjoie stehe, und wenn wir keine
fanden, empfahlen wir uns Gott und gingen weiter, und wenn wir unseren Stab an
etwas Hartes stoßen hörten, waren wir voller Freude, denn das hieß, eine montjoie steht da.« 6
Der Begriff montjoie scheint vom
altfränkischen mundgawi zu kommen, was Hügel bedeutete oder
Beobachtungs- und Verteidigungsvorgebirge; allmählich wurde diese Bezeichnung
auf jene primitiven Steinpyramiden angewendet, die der Mensch von jeher auf den
Gipfeln errichtete, und schließlich auf die Steinpyramiden selbst, gleich, wo
sie sich befanden — das im Mittelalter so häufige Spiel mit Worten läuft in
diesem Fall über das Latein: mundgawi, monsgaudii, mont de joie, Freudenberg. Montjoie bezeichnet bei der gleichen Gelegenheit auch jene
hervorragenden Aussichtspunkte, von wo aus die Wallfahrer zum erstenmal das
Ziel ihrer Pilgerreise erblicken, Jerusalem oder Rom oder — wie Sie am Ende
unseres Weges sehen werden — Compostela.
Diese Steinpyramiden sind an den
unsicheren oder gefährlichen Wegen so wichtig, daß man sich um ihre
Instandhaltung sorgfältig kümmert; noch im Jahre 1734 verpachtet das
Spitalkapitel von Aubrac einem gewissen Augustin de Valette die Weide von
Mailhebiau nur unter der ausdrücklichen Bedingung, daß er für die Überwachung
und Instandhaltung der montjoies sorge. 7 Freilich ist diese
einsame Gegend, in welcher der schreckliche Drac haust, eines jener Gebiete, wo
man besser den Weg nicht verliert. Sollten Sie zufällig bemerken, daß eines
dieser Wegzeichen eingestürzt ist, unterlassen Sie es nicht, die Steine wieder
aufzuhäufen — vielleicht ersparen Sie dadurch einem armen Verirrten eine
Schreckensnacht.
Wenn es in den Bergen von Aubrac
schneit oder stürmt oder nebelt, läuten die Mönche aus Nächstenliebe
ununterbrochen oder in regelmäßigen Abständen die Glocke; nur ihre Stimme kann
jene wieder zusammenrufen, die in dieser von Wölfen heimgesuchten Gegend
herumirren. Das gleiche gute Werk wird in Gebirgshospizen wie Foncebadón, San
Juan de Ortega in den Montes de Oca und vor allem in der Einsiedelei San
Salvador am Ibañetapaß ausgeübt. Hier läutet der Eremit von Einbruch der
Dunkelheit bis Mitternacht, »um den armen Verirrten die Richtung zu weisen«,
wie das auch auf dem Mont-Saint-Michel üblich war. 8
Wie oft zögern Sie nicht an einer
Kreuzung, an einer Abzweigung, an einem Wegknotenpunkt! Soll man einen Hirten
suchen, der einem raten kann? Sich nach der Sonne richten? Dem Bachbett folgen?
Das Gras, das Moos an den Bäumen zur Orientierung nehmen? Beten? Man muß sich
jedenfalls entschließen, noch bevor der Abend über alles seinen angstschweren
Mantel breitet. Nur das nächste Dorf erreichen! Ein Kreuz, ein Bildstock, eine
Wegkapelle, eine montjoie — wenigstens ist man nicht ganz verloren. Im
Departement Creuse, etwa in La Souterraine, ist an den Kirchtürmen, die am
Jakobsweg stehen, zuweilen ein weißer Stein eingelassen. Am Ortsausgang von
Tülle im Departement Correze boten sich dem Santiagopilger zwei Varianten; in der
Weggabel stand eine Kapelle (inzwischen in ein Wirtshaus umgewandelt) mit dem
schönen Namen Nostra-Dama-de-Monstra-Chami (Unsere Liebe Frau vom
Wegweiser). 9
Alles kann einem unterwegs widerfahren.
Eines der Hindernisse jedoch, denen man regelmäßig begegnet, die vorauszusehen
sind, aber auch am gefährlichsten bleiben, ist das Überqueren der Flüsse. Dort,
wo Brücken stehen, hat man mit teuren Zöllen zu rechnen; anderswo muß man an
einer Furt durch das Wasser waten oder sich dem guten Willen der Fährleute überlassen.
Wenn man weiß, daß die Gironde bei La
Réole von Juni bis November so seicht ist, daß sie zu Fuß durchquert werden
kann, dann versteht man, wie wichtig es ist, im Frühling zur Wallfahrt
aufzubrechen. Nicht nur kommen einem die längeren Tage zugute, sondern man
vermeidet auch und vielleicht in erster Linie die Hochwasserzeiten.
Hören Sie Jean de Tournai. Ein
Hochwasser schneidet ihm in Kastilien den Weg ab. Seine Führer lassen ihn im
Stich. »Am Ortsausgang fragten wir nach dem Weg in Richtung León. Man erklärte
uns, wir müßten durch dieses Wasser. Wir sahen
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