Auf dem Weg nach Santiago
Jakobus gewandt zu beten; anschließend steckt jeder sein Kreuz gleich einer Standarte
in den Boden. Man kann hier bis zu tausend Kreuze finden [...]. Beim Abstieg
erblickt man dann das Hospiz und die Kirche, in welcher sich der Felsen
befindet, den der übermenschliche Held Roland mit einem dreifachen
Schwertstreich von oben bis unten mitten durchgespalten hat. Schließlich
gelangt man nach Roncesvalles; hier fand einst die große Schlacht statt, in
welcher König Marsilius, Roland und Oliver zusammen mit vierzigtausend anderen
christlichen und sarazenischen Kriegern den Tod gefunden haben.« 50
Sechshundert Jahre nach Aymeri Picaud
besichtigt der kleine Bonnecaze mit gleichem Interesse die Sporen und den Säbel
Rolands und »die Ebene, auf der die zwölf Pairs von Frankreich getötet wurden«;
hier ragt ein Kreuz, »ungefähr fünfzehn Fuß hoch, ganz aus Eisen, fünf
Daumenbreiten dick. Es steht unter einem Schutzdach, das von vier Eisenpfeilern
getragen wird und mit Eisenplatten gedeckt ist; das Ganze ein solider Bau. Wir
beteten vor diesem Kreuz für die an diesem denkwürdigen Ort getöteten Christen .« Hier geschieht es auch, daß ihn die spanischen Soldaten
mit Gewalt zum Militärdienst zwingen wollen und er sich durch den Schnee
davonmachen muß. Auf seiner Rückkehr aus Santiago sind hier übrigens keine
Soldaten mehr, und er erreicht diesen Ort, wie er sagt, »mit Freude«. Er ruht
sich zwei Tage aus und bemerkt, daß »man in diesem königlichen Hospital drei
Mahlzeiten reicht, zum Frühstück ein halbes Pfund Brot, zum Mittagessen ein
Pfund, ein halbes Pfund Fleisch und einen Schoppen Wein mit Suppe und das
gleiche zum Abendessen«. 51
Manier und seine Gefährten kommen am
Heiligen Abend 1726 in Roncesvalles an. »Das ist ein Kloster im Wald, wo der
Boden zu der Zeit mit Schnee bedeckt war. Dank frommer Zuwendung kann dieses
Kloster die Pilger hier drei Tage lang beherbergen; bei unserer Ankunft empfing
man uns bei einem guten Feuer, so daß wir uns wirklich wohlfühlten;
anschließend Abendessen und angenehme Nachtruhe. Ein schönes Mädchen mit Zöpfen
bedient hier die Pilger; sie hat uns Suppe gebracht, Weißbrot, Fleisch und zwei
oder drei Gläser Wein.
Am anderen Tag, dem 25., gingen wir in
die Messe, anschließend Mittagessen, Wärmen, Abendessen und Schlafengehen.
Am 26. war ich zuerst in der Messe,
dann wieder Mittagessen, Abendessen, Schlafen.
Am 27. sind wir nach der Messe nach
Arneguy aufgebrochen .« 52
Ist es der Schnee? Sind es die Zöpfe
der hübschen Bedienung? Jedenfalls spricht Manier als einziger nicht von Karl
dem Großen.
Jean de Tournai zieht die Gasthöfe den
Hospizen vor und hat die Absicht, in Burguete zu übernachten; trotzdem hält er
in Roncesvalles an: »Ich durchwanderte die ganze Ebene, in der die Schlacht
stattfand, und kam zur Kirche; sie ist recht schön, ganz aus Steingewölben, mit
einer Silberplatte als Altartisch. Man zeigte mir das Horn Rolands, mit dem er
Karl den Großen zu Hilfe gerufen hat, auch das kleine Horn Olivers; beide sind
aus Elfenbein wie die Steigbügel des Erzbischofs Turpin. Außerhalb des
genannten Chors befinden sich zwei mit Eisengittern umschlossene Gräber, darin
und ringsherum liegen mehrere Ritter begraben; es sind wahre Märtyrer, denn sie
sind zur Verteidigung des katholischen Glaubens in den Tod gegangen. An dem
genannten Tag hörte ich in der erwähnten Kirche die Vesper. [...] Ich ging ins Hospital,
wo den Durchreisenden recht gute Mahlzeiten gereicht werden, wenn sie es
wünschen; und wenn viel Schnee liegt, kann man bis zu drei Tage bleiben.« 53
Auch Laffi ist fast zwei Jahrhunderte
später des Lobes voll. Er hat die Kapelle Karls des Großen gesehen, das Schwert
Rolands »mit dem Waffenzeichen des Königs von Spanien«, sein Grab und das der
Recken. Das Hospiz selbst ist »ein großes und schönes Pilgerhaus, wo die
Wallfahrer drei Tage bleiben und übernachten können; es ist eines der reichsten
Hospitäler, die man auf der Reise antrifft«. 54
Eine Glocke ruft in Roncesvalles wie in
der Dômerie von Aubrac in den dunklen Winternächten oder in den Schneestürmen
die Verirrten. Die schöne Lage hat zu dem häufigen Besuch und dem Reichtum des
Hospizes sicher viel beigetragen, ohne Zweifel weniger jedoch als der ruhmvolle
Name Karls des Großen und seiner Mannen. Wo der Kaiser des Abendlandes sein
Kreuz aufgepflanzt hatte, dort wuchs eine Legende.
achtes kapitel
UNTERKUNFT UND VERPFLEGUNG
Der
Weitere Kostenlose Bücher