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Auf dem Weg nach Santiago

Auf dem Weg nach Santiago

Titel: Auf dem Weg nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Noel Pierre / Gurgand Barret
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abgehängte Gehenkte — Eine Feder am Hut
— Pilger falle — Das
spanische Wirtshaus — Als Sire Guillaume Wasser ließ — Delorme und die spanischen Mädchen — Ein Glas für vierzig Leute - Charmanter
Paprika — Abgabe
in Naturalien — Sammelt
viele Almosen! — Drei
Eierkuchen — Stroh
und Federn — Die
Schweinepatrouille
     
     
    E in junger Mann«, so erzählt Manier,
»zog mit Vater und Mutter nach Santiago. Sie kamen in diese Stadt [Santo
Domingo] und wurden in einem Wirtshaus untergebracht. Die Dienstmagd verliebte
sich in den jungen Mann. Sie bot sich an, mit ihm zu schlafen. Er schlug aus.
Aus Rache steckte sie ihm am Abend eine silberne Tasse in den Beutel. Der junge
Mann machte sich am anderen Morgen ahnungslos auf den Weg. Inzwischen erzählte
die Dienstmagd im Haus herum, eine Tasse sei verschwunden. Man schickt hinter
jenen Leuten her und findet die Tasse bei dem jungen Burschen, der nichts davon
wußte. Er wird vor Gericht gestellt, verurteilt und gehängt. Vater und Mutter setzen
ihre Wallfahrt fort. Nach vierzehn Tagen kommen sie auf der Rückkehr wieder in
diese Stadt. Sie finden ihr Kind noch am Leben. Gott hatte nicht zugelassen,
daß ihr Sohn stürbe .« 1
    »Sie begaben sich zum Galgen, um ihr
Kind zu sehen«, so erzählt Nompart de Caumont seinerseits, »und um zu Gott für
sein Seelenheil zu beten. Und als sie ganz nahe waren, fingen sie an zu weinen.
Da sagte der Sohn zu ihnen, sie sollten sich nicht betrüben, er sei nicht tot,
sondern lebe und sei ganz gesund, denn seit ihrem Weggang habe ihn ein Mann vom
Gericht an den Füßen gestützt, und es tue ihm nichts weh. Die Eltern liefen
schnurstracks zum Richter und batenihn, ihren Sohn vom
Galgen abzunehmen, da er lebe. Der Richter wollte ihnen nicht glauben, denn das
schien ihm unmöglich. Er war gerade dabei, für seine Mahlzeit einen Hahn und
ein Huhn zu braten. Er sagte, falls seine Brathühner anfingen zu gackern, werde
er glauben, daß das Kind lebe .« 2

    Manier fährt fort: »Gott hatte es so
gefügt. Der Hahn löste sich von dem Bratspieß, sprang auf den Tisch und krähte
dreimal zum großen Erstaunen des Richters. Und so wurde die Wahrheit offenbar .«
    »Der Richter war sprachlos vor
Verwunderung«, erzählt Nompart de Caumont weiter, »und rief die Leute zusammen,
um zum Galgen zu laufen; sie sahen [den Gehängten] auf dem Boden stehen,
lebendig und gesund. Die Kammerzofe wurde festgenommen. Sie bekannte die
Wahrheit [...] und wurde gehängt. In der Kirche befinden sich heute noch ein
Hahn und eine Henne von der Rasse jener, die vor dem Richter im Bratofen
gekräht haben; ich habe sie gesehen, sie sind ganz weiß .«
    »Zur Strafe«, so beschließt Manier den
Bericht, »wurde über den Richter und mit ihm über alle seine Nachfolger
folgendes Urteil gefällt: Sie müssen einen Strick um den Hals tragen, damit
ihnen jenes falsche Urteil stets im Gedächtnis bleibe. Das wurde lange Zeit
eingehalten. Seither hat man die Strafe gemildert: Sie tragen ein rotes Band
und geben in dankbarer Anerkennung jeden Tag einem Pilger zu essen. Man hat
Hühner von der Rasse jenes Hahns aufgezogen, um das Wunder lebendig in
Erinnerung zu halten. Und jedem Pilger gibt man zwei oder drei Federn von
diesen Hühnern; die Wallfahrer tragen sie sehr oft an ihrem Hut .«
    Auch Domenico Laffi kam durch Santo
Domingo de la Calzada. In seinem Bericht handelt es sich um griechische Pilger
aus Saloniki, und die Ereignisse geschahen im Jahre 1090. Er nimmt nach dem
Brauch eine Feder und streut dem Hahn und der Henne Brot zum Fressen hin. Er
ist ganz glücklich darüber, denn »diese Tiere fressen nur, was ihnen die nach
Galicien ziehenden Pilger hinwerfen; und es muß Brot sein, das die Wallfahrer
um der Liebe Gottes willen geschenkt bekommen haben; denn wenn es gekauftes
Brot ist, rühren sie es nicht an; kommt es also vor, daß kein Pilger durch die
Stadt wandert, so sorgt eine Frau für die Tiere; sie kleidet sich als Pilgerin
und bettelt im Ort um Brot, womit sie die Hühner füttert.« 3
    Die Legende vom abgehängten Gehenkten
ist eine der berühmtesten des Mittelalters. Sie war schon vor der Wallfahrt
nach Compostela in Umlauf, und sowohl Aachen als auch Toulouse erhoben den
Anspruch, der wahre Ort des Wunders zu sein. 4 Der erste mit Santiago
verbundene Bericht findet sich im Liber Sancti Jacobi aus dem 12.
Jahrhundert; die Ereignisse finden auch hier 1090 statt, die Pilger sind
Deutsche, ihr Sohn heißt Hugonell; der Wirt selber versteckt in

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