Auf dem Weg nach Santiago
durch! Sogar eine
rings um ihn herum wütende Seuche muß er bestehen, damals in León im
Krankenhaus, wo »täglich zehn bis zwölf Leute« neben ihm sterben. 46
Bonnecaze, Manier, Laffi, Aymeri
Picaud, Jean de Tournai — man könnte meinen, sie befänden sich alle auf völlig
verschiedenen Wegen, so sehr sind sie in ihren finanziellen Mitteln und ihren
persönlichen Sorgen verschieden; ja man könnte denken, ein jeder unternähme
eine andere Wallfahrt. Und doch ist da ein Ort, eine Herberge, wo sich die
Jahrhunderte ein Stelldichein geben, wo man ihnen allen begegnen kann:
Roncesvalles.
Der Name Roncesvalles ist so berühmt,
daß Sie auf dem Weg nach Compostela und zurück sicher in diesem Tal inmitten
der Pyrenäen haltmachen werden. Es ist das Tal, in dem noch der Atem Rolands
weht und das Echo des zurückgaloppierenden Kaisers dumpf widerdröhnt: Karl der
Große stürmt zum Schlachtfeld zurück...
Das vom König von Aragonien und vom
Erzbischof von Pamplona gewünschte Hospiz wird von Augustinern verwaltet, die
113 7 ihre Regel erhalten. Die Anzahl der Hospitaliter beläuft sich auf 72
Priester, Brüder, Ritter und zum Dienst bestellte Schwestern, nicht gerechnet
jene Leute, die sich dem Hospiz mit all ihren Gütern »gaben«, die Donati. Die
Augustinerchorherren, die sich unter der Führung eines Priors im Kapitel
versammeln, haben eine Anzahl klösterlicher Bediensteter: einen Verwalter,
einen Kammerdiener, einen Sakristan, einen Krankenbruder. Die ganze Anlage
umfaßt in 952 Meter Meereshöhe auf der spanischen Seite des Ibañetapasses eine
große Kirche, die Klostergebäude, das Hospital, eine Herberge und einen
Pilgerfriedhof. 47
Die Legende um Karl den Großen ist für
das Hospital eine gute Einnahmequelle. Die Augustiner versäumen es nicht, sie
auszubeuten. Sie lassen — sicher im 13. Jahrhundert — auf die Wände des
Kreuzgangs der Rolandskapelle ein Fresko malen, das den Kampf von Roncesvalles
darstellt. Ein ebenfalls im 13 .Jahrhundert geschriebenes Dokument, ein langes,
zweifellos in Auftrag entstandenes Gedicht, wird zum wahren Reklameschrei des
Hospizes hochgespielt: »Für die Santiagopilger gibt es nichts Vergleichbares,
keines ist stärker besucht. [...] Die Tür steht allen offen, Kranken und
Gesunden; nicht nur den Katholiken, sondern auch den Heiden, den Juden, den
Häretikern, den Müßiggängern, den Leichtfertigen, mit einem Wort, den Guten und
den Bösen. In diesem Haus wäscht man den Armen die Füße; auch wäscht man ihnen
den Kopf und schneidet ihnen die Haare; man bessert das Leder ihrer Schuhe aus.
Vollkommen ehrenhafte Frauen, denen man weder Unreinlichkeit noch Häßlichkeit
vorwerfen kann, übernehmen den Krankendienst; sie pflegen alle Kranken mit
gleicher Frömmigkeit. Die Häuser der Kranken sind beleuchtet, tagsüber durch
das Tageslicht, nachts durch Lampen, die wie die Morgensonne leuchten. Die
Kranken ruhen in weichen und gut hergerichteten Betten. Niemand verläßt diesen
Ort, der nicht wieder gesund geworden wäre .« 48
Im Verlauf des Winters 1560 überquert
die junge Prinzessin Elisabeth von Valois die Pyrenäen. Sie will sich zu
Philipp II., dem König von Spanien und Kaiser von Westindien, begeben; ihm ist
sie nämlich durch den Vertrag von Cateau-Cambrésis zur Frau gegeben. Am Ende
einer schauerlichen Reise — ihre Kutsche war umgestürzt, Männer und Pferde im
Unwetter umgekommen — bittet sie darum, die Pilger besuchen zu dürfen; trotz
der Jahreszeit sind es vierhundert. Sie schenkt jedem drei Reales und erhält
dafür einen Beinamen: Isabel de la Paz y de la Bondad — Elisabeth vom Frieden
und von der Güte. 49
Als Aymeri Picaud über die Pyrenäen
wandert, hält er sich zwar nicht in dem kaum fertig erbauten Hospiz auf, rühmt
jedoch den Namen des großen Kaisers; die Erinnerung an dessen kühnes
Unternehmen gegen die Mauren ist in Legenden und Liedern aufs innigste mit der
Wallfahrt der ersten Zeiten verbunden. »Auf dem Gipfel dieses Berges«, so
schreibt Aymeri, »befindet sich eine Stelle mit dem Namen Karlskreuz, denn hier
hatte sich einst Karl der Große mit Äxten, Pickeln, Schaufeln und anderen
Werkzeugen einen Weg gebahnt, als er mit seinen Truppen nach Spanien zog; hier
stellte er zuerst zum Zeichen das Kreuz des Herrn auf, dann wandte er sich gen
Galicien, beugte das Knie und richtete an Gott und den heiligen Jakobus ein
Gebet. Darum haben die Pilger, wenn sie hier heraufkommen, die Gewohnheit,
niederzuknien und zum Land des heiligen
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