Auf dem Weg nach Santiago
(»Auberge espagnole«).
»In Spanien«, so warnt Laffi, »bekommt
man im Gasthof nur ein Bett zum Schlafen. [...] Alles übrige muß man am Ort
kaufen .« 10 Also geht er in Logroño selber
einkaufen. Auch im Lied schlägt sich diese Erfahrung nieder:
Vous qui allez à Saint-Jacques
Je vous voudrais prier
Que vous nefûssiez point lâches
A apprêter dîner.
Les hôtesses sont fines
Elles ne servent rien.
Qui sait faire la cuisine.
Il lui servira bien.
Ihr, die ihr nach Santiago reist,
Ich möchte euch bitten,
Daß ihr nicht zu faul seid,
Das Essen zu bereiten.
Die Wirtinnen sind schlau,
Sie bedienen nicht.
Wer selber kochen kann,
Ist gut dran.
Andere Warnung:
Vos qu’andais a Santiago
Mire vostre mercé
Non ay en posades
Nada para comer . 11
Ihr, die ihr nach Santiago zieht,
Sorgt selber für euch.
In den Gasthäusern
Gibt es nichts zu essen.
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts
verursacht diese Lage dem Pilger Arnold von Harff einige schlechte Laune. Er
schreibt: »Item van Ortes vindes du gheyne gude herberge me bis zo sent Jacob
vur dich ind dijne perde. As wultu essen ader drincken dat mois du vff der
straessen gelden ind du vindes vur dijne peert hauer hew noch stroe, dann vff
der erden zo slaeffen ind gerst zo essen.« Bar jeglicher Illusionen stellt er
fest: »Summa summarum ist Hyspanien gar eyn buesser lant .« 12
Jean de Tournai hatte bereits acht
Jahre vor dem jungen Deutschen dieselben Erfahrungen gemacht: »In diesem Land
ist es so: Wenn ihr in der Herberge angekommen seid und Brot, Wein, Fleisch
oder sonst etwas haben wollt, müßt ihr es euch selbst verschaffen, denn in der
Unterkunft findet ihr nichts als ein Bett zum Schlafen, und ihr habt noch
Glück, wenn ihr eines findet, denn meistens gibt es gar keines; und überall in
diesem Land müßt ihr euch euer Fleisch selber braten.«
Der Flame wundert sich über die geringe
Anzahl von »Hostellerien« und ist entsetzt, daß es gar keine Latrinen gibt: »In
diesem Land machen sie ihr Geschäft überallhin, es ist abscheulich .« 13
Überdies klagt er, sich im Winter am
Abend nicht überall wärmen zu können. »Wegen mehrerer Spanier, die [im
gleichen] Hotel übernachteten, konnten wir uns nicht ans Feuer setzen. Wir
mußten in einem sehr großen, kalten Raum essen .« Nicht
einmal einen Kamin haben sie, nur ein kleines Kohlenfeuer auf einem
Rädergestell. »Wir zitterten vor Kälte während des ganzen Essens, und danach
gingen wir sofort schlafen [...]; mein Gefährte versuchte in dieser ganzen
Nacht, seine Füße an den meinen zu wärmen .« 14
Und ein andermal: »Wie üblich fragte
ich meine Wirtin, ob sie nicht ein gutes Federbett habe. Ich hoffte, eines zu
bekommen, da ich es ja bezahle; wir waren nämlich durch den Tagesmarsch
ziemlich erschöpft und hatten vor allem an den Füßen Schmerzen. [...] Und da
machte sich diese Wirtin über mich lustig und antwortete spöttisch: ›Wir werden
schon welche für euch finden.‹ Es war nämlich schon ziemlich spät, und im
Umkreis von zwei Meilen gab es weder Dorf noch Haus. Wir waren gezwungen zu
bleiben und merkten auch, daß dieses Haus hier schließen würde. [...] Wir aßen
dann zu Abend und [...] begaben uns hernach auf das Zimmer zum Schlafen .« Böse Überraschung! Die Lager sind nur aus Stroh, die
Laken abgenutzt und die Decken zerrissen. »Wir legten uns hinein und schwiegen.
Und die nach uns eintreffenden Gäste legten sich nach Landesbrauch auf die
Strohsäcke rings um das Feuer .« 15
Unsere flandrischen Pilger aber, der
Bürger Jean de Tournai und sein Gefährte, der Priester Sire Guillaume, rächen
sich auf unerwartete Weise:
»Um Mitternacht herum mußte mein
Gefährte Wasser lassen. Wir hatten keinen Nachttopf, denn das war nicht üblich.
Mein Kamerad zog die Decke weg, auf der wir lagen, und pinkelte auf das Bett
zum Trotz, weil wir eine so schlechte Schlafstatt hatten und auch weil sich
unsere Wirtin, wie gesagt, über uns lustig gemacht hatte. Wirt und Wirtin aber
lagen in einem Zimmer genau unter uns. Der kräftige Strahl von meinem Gefährten
lief durch, und es tropfte auf das Bett der beiden. Als sie das bemerkten,
sprang mein Gastgeber aus dem Bett, nahm eine Strohfackel und zündete sie an.
Ich lag neben meinem Gefährten und beobachtete alles genau. Er lachte sich tot,
weil er hörte, daß er hinuntergemacht hatte .«
Jetzt aber kommt der Wirt mit der
Fackel herauf. Jean de Tournai zwickt den Sire Guillaume in den
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