Auf dem Weg nach Santiago
[...], denn man kann ihn hier wegen der zahlreichen
Gebirge nicht auf Wagen transportieren.« 25 Zweieinhalb Jahrhunderte
später macht Manier die gleiche Feststellung: »Die landesübliche Weise besteht
darin, den Wein in dazu eigens präparierte Ziegenbockhäute zu füllen. Der
Bocksfuß dient dann als Hahn. Man hockt sich auf den Boden nieder oder bleibt
aufrecht stehen. Die Bürger haben Holzhocker. Zum Trinken benutzt man Becher
aus Holz. Ein solcher Becher voll Wein kostet zwei Liards, was in Frankreich
gute zehn Sols wert sein dürfte wegen der ausgezeichneten Güte dieser
unverfälschten Weine. [...] Und die Wirtin geht von dem Hinterteil des
Weinbocks nicht weg, bis man genug getrunken hat .« 26
Ohne Wein kein Pilger? Gewiß, der Wein
bleibt immer eine Sorge auf dem Weg. »Diese Nacht haben wir sehr gut gegessen,
wir haben aber nur Wasser zum Trinken bekommen, denn im ganzen Ort war kein
Wein aufzutreiben, und so mußten die armen Brüder diese Nacht bei Wasser
verbringen«, bedauert Jean de Tournai in der Nähe von Oviedo. Ein anderes Mal
ist der Wein so stark, daß man ihn verdünnen muß: »Man goß in den Weinkrug ein
gutes Drittel besten Wassers zu .« Indessen wird auch
Most getrunken, wenn es keinen Wein gibt oder dieser zu teuer ist; das ist
besonders im Baskenland üblich, wie Aymeri Picaud und Jean de Tournai berichten.
»In Saint-Jean-de-Luz mußten wir uns in einer Schenke auf Most zu zwei Sols den
Krug beschränken; es war ein vorzüglicher Most«, bestätigt Guillaume Manier. 27
Aymeri Picaud hatte schon die Bemerkung
gemacht, daß in Navarra »alle Hausbewohner, Diener wie Herr, Dienerin wie
Herrin, [...] aus demselben Becher trinken«. 28 Und dieser Brauch
herrscht immer noch, als Jean de Tournai nach Spanien kommt; er ist entsetzt,
zu vierzig oder zu hundert aus dem gleichen Becher trinken zu müssen: »Wenn du
getrunken hast, wartet ein anderer drüben auf deinen Becher und nimmt dann
diesen Humpen und [...] schüttet den Rest daraus in den Becher, und du machst
es den anderen ebenso, wenn du willst; ein sehr schmutziger Brauch ist das und
sehr schlecht. Darum rate ich jedem, sein Glas oder seinen Becher selber
mitzubringen .« 29
Die Bräuche beim Essen und Trinken
verdienen die volle Aufmerksamkeit der Reisenden. Jean de Tournai etwa macht
Bekanntschaft mit dem berühmten spanischen Eierkuchen, der Tortilla: »Eine
gute, fromme Frau bemerkte uns, ging sofort hin und briet in der Pfanne
Rühreier in Olivenöl, denn in diesem Land gibt es keine Butter, und sie brachte
mir die Eier zusammen mit einem großen Stück Brot.« 30 Trotzdem
bekommt Manier in San Martin del Camino Butter zu sehen: »Wir bekamen als Imbiß
ein Pfund Brot und ein halbes Viertel Butter in Haut wie eine Blutwurst und von
der gleichen Größe. Butter ist etwas sehr Seltenes in Spanien; nur die Reichen
können sich das leisten, weil es sehr teuer ist. Man bedient sich gewöhnlich
des Olivenöls, um Suppe oder anderes zu bereiten .« 31
Eine weitere Entdeckung macht Manier in
Mansilla de las Mulas: den Paprika. »In dieser Stadt war es, wo wir zum
erstenmal große Schoten sahen in der Form jener dicken roten Bohnen, die wir in
Frankreich sehen können und die nur aus kulinarischer Neugierde angepflanzt
werden. Das ist der pimiento, wie man ihn in Spanien nennt. Es gibt ihn
in allen Farben, rot, gelb, schwarz und anders. Die Eigentümlichkeit ist, daß
man ihn in die Suppe schneidet. Das verleiht ihr einen feinen Geschmack, wie
von Pfeffer. Von daher nennen sie dieses Gemüse pimiento; zur
Aufbewahrung im Winter wird er in Essig gelegt. [...] Sie essen ihn auch
zusammen mit Brot .« 32
Der Wanderer auf den großen, weiten
Strecken muß sich mit sehr einfachen Brotzeiten begnügen, bis er wieder einmal
eine warme Mahlzeit in den Magen bekommt. Laffi ißt in Hontanas mit großem
Appetit, was ihm ein deutscher Pilger anbietet: »Etwas Brot mit Knoblauch .« Manier hat sich an dem Tag, da er die Garonne überquerte,
mit Lebensmitteln versorgt: »In meinem Proviantsack hatte ich reichlich
Weißwein und zwölf gegrillte Sardinen .« 33 Obsthaine und Gärten am Weg, Wiesen und Felder liefern den ausgehungerten
Pilgern Früchte, frische Bohnen, Zwiebeln, Pilze und verschiedene
Beerenfrüchte. Manier und seine Kameraden wollen in der Nähe von Población de
Campos einen kleinen Durst löschen: »Wir haben in einem abgeernteten Weinberg
Nachlese gehalten. Von den Trauben, die wir zusammenbrachten, wurden wir alle
viere
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