Auf dem Zeitstrom
erwiderte er: »Ich habe diese Frauen lediglich aus Gründen ihrer eigenen Sicherheit hier hergebracht. Die Menge hat sich sehr häßlich aufgeführt; man wollte die Missionare töten. Daß Gwenafra sich unter ihnen befand, war nichts als ein Irrtum. Ich werde natürlich herausfinden, wer diesen Fehler begangen hat, und ihn zur Rechenschaft ziehen.«
»John«, sagte Sam mühsam beherrscht aber samtweich, »du weißt doch ebenso gut wie ich, daß das, was du da behauptest, nicht der Wahrheit entspricht. Und nichts davon kannst du beweisen. Neben dir steht sogar der Teufel wie ein Waisenknabe da. Du bist wirklich der Vater aller Lügen. Ich glaube nicht, daß dich in der Vergangenheit jemand hierin je übertroffen hat, ebenso wie das in der Zukunft kaum möglich sein wird. Der Vater der Lüge, von eigenen Gnaden. Wenn die Offensichtlichkeit das Kennzeichen des größten Lügners ist, dann sind alle anderen Lügner dieser Welt neben dir nur nette Menschen neben dem Weihnachtsmann.«
Johns Gesicht rötete sich. Zaksksromb schnaufte und hob seinen Riesenknüppel. Joe knurrte.
John stieß zischend die Luft aus und sagte mit breitem Lächeln: »Du regst dich wegen eines bißchen Blutes auf? Du wirst es überleben. Und außerdem dürfte es dir unmöglich sein, alles zu überprüfen, was ich je in meinem Leben gesagt habe, nicht wahr? Nebenbei bemerkt, hast du die Ratsversammlung schon einberufen? Die Gesetze unseres Landes zwingen dich dazu, wie du wissen solltest.«
Das Schlimme an der Sache war, daß John es durchstehen würde. Jeder, selbst diejenigen, die ihm die Stange hielten, wußten, daß er log. Und dennoch konnte man nichts gegen ihn unternehmen, ohne einen Bürgerkrieg zu entfachen, der sogleich alle diejenigen auf den Plan rief, die wie ein ausgehungertes Wolfsrudel darauf warteten, daß die Bewohner von Parolando sich gegenseitig an die Kehle fuhren: Iyeyasu, Hacking, und vielleicht sogar die angeblich Neutralen wie Publius Crassus, Chernsky, Tai Fung und die Barbaren vom anderen Flußufer.
Sam schnaubte und ging hinaus. Zwei Stunden später waren seine Erwartungen bereits Realität. Die Ratsversammlung sprach gegen John wegen seiner übereilten Handlung und der Verkennung der Sachlage eine Rüge aus. Des weiteren trug man ihm auf, sich demnächst mit seinem Mitkonsul zusammenzusetzen und einen Plan auszuarbeiten, der derartige Vorkommnisse in Zukunft unmöglich machen sollte.
Niemand hegte einen Zweifel daran, daß John – sobald man ihn die Entscheidung der Ratsversammlung wissen ließ – in schallendes Gelächter ausbrechen und nach Alkohol, Tabak, Marihuana und seinen Frauen verlangen würde.
Dennoch hatte er keinen hundertprozentigen Sieg davongetragen. Jeder Bürger von Parolando wußte inzwischen, daß Sam Clemens ihm die Stirn geboten hatte, mit nur einem Begleiter in seinen Palast eingedrungen war, für die Freilassung der Frauen verantwortlich war und es sich nicht hatte nehmen lassen, John offen ins Gesicht zu sagen, was er von ihm hielt. Und das wußte der Ex-König; sein Triumph stand auf tönernen Füßen.
Sam stellte weiterhin den Antrag, alle Angehörigen der Chancisten des Landes zu verweisen, aus Gründen ihrer eigenen Sicherheit, aber mehrere Ratsmitglieder beharrten auf dem Standpunkt, daß dies illegal sei; dazu müsse erst die Charta geändert werden. Des weiteren sei man der Ansicht, daß ihnen nach der gegen John ausgesprochenen Verwarnung zumindest von seiner Seite keinerlei Gefahren mehr drohten.
Natürlich wußten die Männer ebenso gut wie Sam, daß er im Grunde nichts anderes wollte, als die günstige Gelegenheit zu nutzen, aber einige der Ratsangehörigen ließen sich einfach nicht umstimmen. Es war nicht auszuschließen, daß sie sich schämten, nichts gegen John erreicht zu haben. Nun wollten sie zumindest in diesem Punkt keinen faulen Kompromiß schließen.
Sam wäre jede Wette eingegangen, daß die Überlebenden des Massakers Parolando so schnell wie möglich wieder verlassen wollten. Aber sie bestanden darauf, zu bleiben. Das Gemetzel hatte sie offenbar in der Überzeugung bestärkt, daß Parolando sie dringend benötigte. Göring begann bereits mit dem Bau mehrerer neuer Hütten für die Neuankömmlinge. Sam ließ ihm mitteilen, daß er damit wegen der allgemeinen Holzknappheit aufhören solle, woraufhin von Göring die Antwort kam, daß er und seine männlichen Genossen ihre eigenen Hütten verlassen und von nun an unter den Überhängen der Gralsteine schlafen
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