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Auf dem Zeitstrom

Auf dem Zeitstrom

Titel: Auf dem Zeitstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
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heißbegehrten Materialien heranzuschaffen, und eben dieses Holz fehlte dann den anderen Projekten. Männer mußten vom Schiffbau abgezogen und als Seeleute und Frachtschiffgardisten ausgebildet werden. Schließlich ging man dazu über, von den Nachbarstaaten Frachter zu leihen. Die wiederum mußten mit Rohmetall oder Waffen bezahlt werden.
    Sam hatte sich eigentlich nichts sehnlicher gewünscht, als die Bauarbeiten an seinem Schiff von morgens bis abends zu überwachen, weil er nichts mehr liebte, als jeden auch noch so kleinen Fortschritt in der Konstruktion mitzubekommen, aber seine vielen anderen Aufgaben ließen ihm dazu keine Zeit. Er hatte Glück, wenn er es schaffte, zwei bis drei Stunden am Tag in der Werft zu sein, und versuchte deswegen, John ein wenig mehr administrative Entscheidungen zu überlassen. Der Versuch erwies sich als Reinfall: John war nur dann bereit, Mehrarbeit zu leisten, wenn diese ihn auch ermächtigte, mehr Macht über die Streitkräfte zu erlangen und Druck auf jene Leute auszuüben, die gegen ihn opponierten. Sams Theorie, daß demnächst seine engsten Mitarbeiter bei Unfällen ums Leben kommen würden, bestätigte sich nicht. Dennoch ließ er seine Leibwächter die Augen offen halten. Möglicherweise hatte John auch nur vor, ihn und seine Vertrauten eine Weile in Sicherheit zu wiegen. Sicher war er inzwischen zu dem Schluß gekommen, daß es besser sei, erst dann zuzuschlagen, wenn das Schiff fertig war.
    Eines Tages sagte Joe Miller: »Fäm, würdeft du ef für möglich halten, daf du dich in John getäuft haft? Glaubft du, er hat fich damit abgefunden, der Erfte Offifier deinef Fiffef fu werden?«
    »Glaubst du, ein Schäfer würde sich seiner Hunde entledigen, solange sie seine Arbeit tun?«
    »Waf?«
    »John ist von Grund auf schlecht. Moralisch gesehen war natürlich keiner der alten englischen Könige ein Musterknabe, und der einzige Unterschied zwischen ihnen und Jack The Ripper bestand darin, daß sie ihre Untaten öffentlich begingen und dazu noch den Segen der Kirche erhielten. John schlug allerdings dermaßen aus der Art, daß es nach ihm in England Tradition wurde, niemanden mehr zum König zu machen, der den gleichen Namen trug wie er. Nicht einmal die Kirche war dazu in der Lage, diese Kröte zu schlucken. Der Papst belegte die ganze Nation mit dem Bann, und John blieb nichts anderes übrig, als wie ein Hündchen vor ihn hinzukriechen und um Gnade zu winseln. Aber ich bin sicher, daß er es dennoch schaffte, dem Papst in dem Moment, als er vor ihm kniete, in die große Zehe zu beißen und von seinem Blut zu trinken. Und ich zweifle nicht daran, daß der Papst anschließend in seinen Taschen nachsah, ob ihm nichts fehlte.
    Was ich damit sagen will, ist, daß John sich nicht einmal dann ändern könnte, wenn er es aus eigenem Willen wollte. Er wird immer ein menschlicher Vielfraß, eine Hyäne und ein Stinktier bleiben.«
    Joe saugte an einer Zigarre, die länger als seine Nase war, und sagte: »Nun ja, ich weif nicht. Menfen können fich jedenfallf verändern. Du follteft nur einen Blick auf diefe Kirche der F-f-weiten Chance werfen. Und Göring. Oder dich. Du haft mir selbft erfählt, daf die Frauen fu deinen Lebfeiten fo hochgefloffen gekleidet waren, daf du fo von den Pocken warft, wenn du nur mal einen Unterfenkel fehen konnteft, von einem Oberfenkel – Jungejunge! – ganf fu f-fweigen. Und jetft f-fauft du nicht einmal mehr hin, wenn…«
    »Ich weiß! Ich weiß!« rief Sam aus. »Verhaltensweisen und konditionierte Reflexe – wie die Psychologen es nennen – können verändert werden. Darauf basiert ja auch meine Annahme, daß all die Leute, die ihre rassistischen oder sexuellen Vorurteile mit hierher gebracht haben, sich einfach dessen, was der Fluß ihnen bietet, nicht bewußt sind. Natürlich kann ein Mensch sich ändern, aber…«
    »Er kann ef alfo?« fragte Joe. »Aber du haft doch immer getagt, daf allef im Leben, fogar die Art und Weife in der ein Menf denkt und handelt, darauf bafiert, waf vor feiner Geburt gefah. Waf foll daf? Daf ift doch eine determiniftife Filofofie, nichtf weiter. Wenn du anderfeitf der Meinung bift, daf allef einem beftimmten Kurf folgt, daf die Menfen fofufagen Mafinen find – wie kannft du dann glauben, daf fie fich ändern können?«
    »Nun«, erwiderte Sam mit finsterem Blick und runzelte dermaßen die Stirn, daß sich seine buschigen Augenbrauen senkten, »nun, das heißt, daß selbst meine Theorien in gewisser Weise

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