Auf den ersten Blick
Zweimal hatte ich sie schon auf unterschiedliche Weise gefragt, ob sie Fruchtsaft mochte, und war mir nicht sicher, ob es noch eine dritte Möglichkeit gab.
»Und … kennen Sie lustige Geschichten über Fruchtsaft?«, fragte ich.
Sie kam ganz durcheinander. Ihr Blick zuckte nervös zum PR -Mann in der Ecke.
»Äh …«
»Oder vielleicht nicht lustig. Aber wahr? Oder auch nur Geschichten?«
»Geschichten über Fruchtsaft …«, sagte sie, durchforstete ihr Gehirn, fand aber nichts.
Da meldete sich Dev zu Wort.
»Mein Freund Jason versucht, eine Frau zu finden, deren Kamera er gefunden hat. Er meint, sie könnte die Richtige sein.«
»Okay, Dev …«, sagte ich mit großen Augen und griff nach seinem leeren Glas.
»Ach ja?«, sagte sie und lächelte erst mich an, dann Dev. »Wie meinen Sie das?«
»Er hat eine Kamera gefunden. Also, nicht gefunden . Sie hat sie ihm gegeben und dann vergessen, als die beiden sich eines Abends begegnet sind, etwa drei Sekunden lang. Er hat den Film entwickeln lassen und …«
»Also, eigentlich hast du ihn entwickeln lassen, Dev …«
»Wie auch immer. Am Ende war der Film entwickelt, und jetzt fährt er voll auf sie ab, denn sie ist echt knackig.«
»Hach«, machte der PR -Mann in der Ecke, aber ich finde doch, er hätte es ruhig etwas romantischer formulieren können.
»Meine Frage an Sie – als Frau – wäre also: Was raten Sie ihm?«
Wie sich herausstellte, war Estonia Marsh nicht sonderlich gut, was Ratschläge anging, doch sie meinte immerhin: »Ich glaube, Sie sollten Ihrem Herzen folgen!«, und nickte aufmunternd. »Packen Sie das Leben bei den Hörnern«, sagte sie, »und reiten Sie es wie einen Bullen.«
Ich hatte nicht vorgehabt, das alles mit der Moderatorin von Wake Up Call zu diskutieren, also lief ich rot an und meinte, ich würde ihren Rat beherzigen.
Dann hatte Dev gefragt: »Waren Sie schon mal so richtig verliebt, Estonia? Ich meine – so richtig ? «, und das war der Moment, in dem ich beschloss, dass er dringend eine Weile die Finger von diesen Spezial-Tropicanas lassen sollte, weil sie ihn romantisch und melancholisch machten.
»Die fand ich toll«, sagte Dev draußen beim Festzelt, wo ein Barbershop-Quartett die Titelmelodie von Home & Away sang.
Wir schwiegen und sahen uns um. Neue Gäste waren eingetroffen, zu bedeutend, als dass sie am frühen Morgen nur für ein Interview mit Estonia angereist wären.
Doch die, die ich mir wünschte, war nicht dabei.
»Sie kommt nicht«, sagte ich mutlos. »Ich glaub nicht mehr dran.«
»Vielleicht doch. Und dann kannst du ihr Hallo sagen.«
»Und dann?«
»Ihr deine Geschichte erzählen.«
»Und behaupten, es wäre reiner Zufall?«
»Du hast jetzt schon den Zufall auf deiner Seite. Du bist auf einem der Fotos. Oder du könntest ihr einfach gar nichts davon sagen und deinen Enkeln eines Tages erzählen, du hättest sie bei der Markteinführung der neuen Tropicana-Acai-Berry-Linie kennengelernt.«
»Es gäbe da … noch etwas, das ich machen könnte.«
Dev sah mich verdutzt an.
Ich warf einen Blick quer durch den Raum, zeigte nickend, was ich meinte.
Dev begriff.
»Nein, Mann. Nein, das ist keine gute Idee …«
»Wieso?«
»Was wir bisher gemacht haben, ist die eine Sache. Das wäre was völlig anderes. Denn was wir bisher gemacht haben, war nur Spaß. Es war lustig. Nur ein Streich! Aber das … dadurch würde es ernst werden.«
»Was hat es denn für einen Sinn, wenn es nicht ernst ist? Du hast doch immer versucht, die Sache ernst zu nehmen!«
»Ja, aber du weißt nicht, was du damit anrichten könntest. Wenn du einfach so ins Leben eines anderen Menschen stolperst.«
Die Worte trafen voll ins Schwarze. Ich dachte an Abbey. Ich dachte daran, wie ich in ihr Leben gestolpert war. Aber dabei ging es um sie. Hier und jetzt ging es um mich. Ich konnte das Leben bei den Hörnern packen. Es wie einen Bullen reiten.
Ich sah noch mal zu Damien Anders Laskin hinüber. Lachend nahm er ein Mädchen mit Headset in den Arm, drückte es an sich, und ich dachte …
Wieso frage ich ihn nicht einfach?
Dev hatte die letzte Viertelstunde damit verbracht, mich von dem abzubringen, was ich vorhatte. Er umriss fünf bis sechs mögliche Szenarien, und jedes davon endete damit, dass ich ein blaues Auge bekam, achtkantig rausflog oder noch ein blaues Auge bekam.
»Er wird es nicht so sehen, wie wir es sehen«, sagte er. »Du kannst es Fremden wie Estonia erzählen, aber nicht Damien. Er hängt da mit drin.
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