Auf den ersten Blick
Ausgabe von London Now herum. Ich fand die richtige Seite und lächelte in mich hinein.
Sie würde begeistert sein.
Tatsächlich, am selben Abend: »Ich kann nicht glauben, dass du das getan hast!«, lautete die SMS von Abbey.
»Ha!«, antwortete ich und wartete darauf, dass sie noch etwas simste.
Aber es kam nichts, also schrieb ich noch mal.
Wieder nichts. Stunde um Stunde nichts.
Also werkelte ich herum, kümmerte mich um meinen Kram. Ich schrieb eine Kritik über den Gig im Scala und legte neue Batterien in die Fernbedienung meines Fernsehers. Ich machte mir ein Sandwich, brachte den Müll raus, kaufte frische Milch. Und fing an, mich zu fragen, wieso ich von Abbey keine Antwort bekam.
Also sah ich mir ihre Nachricht noch mal an. Und merkte, dass ich mich getäuscht hatte.
Da stand nicht: »Ich kann nicht glauben, dass du das getan hast!«
Da stand: »Ich kann nicht fassen , dass du das getan hast.«
ABBEY’S SONGS – ABBEY GRANT
Zarter Strich wie eine warme Seelenbrise
Brighton zeigt sich musikalisch momentan von seiner besten Seite. Anfang des Jahres tauchten wie aus dem Nichts die Kicks auf – und nun schenkt es uns die soulige Anmut der aufstrebenden Singer/Songwriterin Abbey Grant …
So fing sie an, diese Fünfsternekritik eines Albums, das bisher noch niemand hatte hören können. Nur Abbey und ich. Es sollte ein Geschenk sein. Eine verständnisvolle Geste an ein Mädchen, das behauptete, es habe keine Träume, das jedoch sehr wohl welche hatte. Denn das war bestimmt ihr Traum, und das Beste daran war: Sie war gut. Der Traum war machbar! Okay, die Aufnahme ließ zu wünschen übrig, und es gab im Grunde nichts, was auf eine Produktion hindeutete, nur eine unbearbeitete Aufnahme von ihr mit ihrer Akustikgitarre oder manchmal einer Begleitung wie einem Akkordeon oder so etwas … aber das machte es nur noch besser, für mich. Realer, lebendiger, mehr wie das Leben selbst.
Abbey hatte sie für sich behalten, diese CD voller Lieder und Hoffnung und Liebe, aber wieso? Es kam mir abwegig vor. Sie hatte die Kraft, es zu schaffen, und ich verstand nicht, wieso sie die Chance nicht ergriff. Hatte sie nur Angst? In meiner Vorstellung brauchte sie nur diese eine Kritik – meine großzügige Einmischung. Wahrnehmung von außen. Ein Freund, der ihr sagte, dass sie gut war, damit sie den nächsten Schritt wagen konnte, und dieser Freund wollte ich sein. Und zwar auf spektakuläre Weise. Ich wollte es auf den Seiten von London Now tun und ihr die ersten Pressezitate geben, die sie ausschneiden und vorn auf die CD s kleben konnte, genau wie die Kicks es getan hatten. Sie zwingen, ihren Traum voranzutreiben.
Das war der Plan gewesen.
Der Plan schien nicht aufzugehen.
»Du hast mich bloßgestellt«, sagte sie an diesem Abend am Telefon, verletzt und böse.
»Das wollte ich nicht«, sagte ich und war verzweifelt darauf aus, dass sie mir glaubte. Ich sprach eindringlich und mit Bedacht. »Es war nur nett gemeint. Ich schwöre, ich dachte, es würde …«
»Du gehst an meine Tasche, du klaust meine Lieder …«
»Ich hab sie nicht geklaut, ich hab sie mir nur angehört …«
»Du hast sie gestohlen, du hast sie kopiert, du hast sie gestohlen, denn es waren meine, und das sind sie jetzt nicht mehr.«
»Was? Doch, das sind sie!«
»Du hast mein Tagebuch genommen und es laut vorgelesen, und du hast es kopiert und in deiner Zeitung darüber geschrieben.«
»Abbey, nein, hör doch … ich hab die CD gesehen und …«
»Was du da geschrieben hast … über meine Beziehung zu Paul …«
»Ich habe nicht darüber geschrieben. Ich habe nur gesagt, dass es da einen Song gibt, der davon handelt, in der Falle zu sitzen …«
»Ich sitz nicht in der Falle! Und es geht nicht um Paul. Du hast ganz offensichtlich angedeutet, dass es um Paul geht.«
Ich hielt die Klappe. Ich hatte wirklich geglaubt, es ginge um Paul.
»Paul hat die Kritik gelesen und war sauer. Er wollte wissen, was eigentlich mit mir los ist. Er wusste nichts von den Songs. Jetzt musste ich sie ihm vorspielen. Hast du eigentlich eine Ahnung, wie sehr mich das in Verlegenheit gebracht hat? Du hast mir etwas weggenommen. Ich versteh nicht, wieso. Du bist dermaßen egoistisch! Warum machst du so was? Du bist echt zu weit gegangen!«
»Na, was meinst du wohl, von wem ich das gelernt habe, Abbey? Wer ist denn in meine Wohnung spaziert und hat meine Exfreundin gelöscht? ›Ach, die brauchst du nicht‹, hast du gesagt. Vielleicht dachte ich, das
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