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Auf den ersten Blick

Auf den ersten Blick

Titel: Auf den ersten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Wallace
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Bus nahmen oder sich noch eine letzte Dose beim Tesco Express an der Ecke holten. Drinnen sah ich ihn, ganz in Schwarz, wie er sich auf den Tresen lehnte, während ein alter Trunkenbold sich eine drehte und sich für seinen Gutenachtkuss bereit machte.
    Ich schob mich durch die Tür, gab mir Mühe, beschäftigt und abgelenkt zu wirken, bereit, Überraschung vorzutäuschen, wenn ich ihn entdeckte, aber er war es, der mich entdeckte, und zwar sofort.
    »Hallo«, sagte er.
    »Matt!«, sagte ich und versuchte, nicht allzu ulkig zu wirken, als ich zweimal hinsah. »Was machst du denn hier?«
    Ich setzte ein angemessen verdutztes Gesicht auf, während er ein weiteres Glas für die Nacht wegstellte.
    Einen kurzen Moment lächelte er in sich hinein.
    »Mein kleiner Bruder hat es dir erzählt, nicht?«, sagte er.
    »Hat er, ja«, sagte ich. »Dein Bruder ist der mit dem kurzen Schlips, oder?«
    Er lächelte.
    »Genau der.«
    »Wie geht es dir? Wie läuft es so?«
    »Mir geht’s gut«, sagte er nickend, und ich staunte ein wenig. Nicht, weil es ihm gut ging. Sondern weil er es aussprach. Ich glaube, ich hatte ihn noch nie sagen hören, dass es ihm gut ging.
    »Wann ist deine Schicht zu Ende?«, fragte ich.
    Er zeigte auf den leeren Pub.
    »Mann, ich war echt überrascht, als ich gehört habe, womit du wieder angefangen hast«, sagte Matt und fummelte dabei an seinen Ärmelaufschlägen herum. Wir saßen an unserem Tisch bei McDonald’s am Kreisel, ich mit einer flauen Fanta, er mit FishMac und Milchshake.
    »Wieso?«, fragte ich.
    »Hätte nicht gedacht, dass du wieder damit anfängst«, sagte er und wischte sich Soße vom Mund. »Du hast doch immer gesagt, man soll sich weiterentwickeln.«
    Ich überlegte. Hatte ich?
    »Wann?«
    »Na, du hast St. John’s verlassen, oder? Du hast was verändert. Aber auch, als du noch Lehrer warst. Du hast uns erklärt, wir könnten das auch. Du hast gesagt, man kann selbst dafür sorgen, dass was vorangeht.«
    Ich nickte, aber hatte ich? Daran konnte ich mich nicht erinnern. Nach Matt zu urteilen, war ich der Typ vom Club der toten Dichter .
    »Und du hast gesagt, wenn was passieren soll, muss man dafür sorgen, dass es auch passiert.«
    Oh, Moment mal. Das klang vertraut. Die eine Schulversammlung, der ich mich nicht entziehen konnte, obwohl ich fürchterliche Angst vor der mangelnden Reaktion eines lustlosen Pulks aussichtsloser Fälle hatte.
    Mr Ashcroft, der alte Schulleiter, hatte jedoch darauf bestanden. Er fand es wichtig, dass wir abwechselnd zu den Kindern sprachen. »Inspirieren Sie sie! Begegnen Sie ihnen mit positiven, motivierenden Worten! Zeigen Sie ihnen die Welt, die sie haben könnten!«
    Ich hatte meine Ansprache »Macht was wahr!« genannt, und einiges davon hatte ich sogar selbst verfasst. Den Rest hatte ich auf einer Website mit Zitaten von Anthony Robbins gefunden, auf die ich bei Google gestoßen war. Es gab jedoch auch Teile, auf die ich ganz stolz war.
    Allerdings hatte ich nie im Leben gedacht, dass mir überhaupt jemand zuhörte.
    »Du hast gesagt, selbst Stillstand ist Rückschritt, denn wenn man stillsteht, überholt einen die Welt, und das kommt aufs Gleiche raus.«
    »Und … das ist bei dir hängen geblieben, ja?«
    »Die Worte habe ich mir gemerkt. Aber ich fand trotzdem, dass du nur Scheiße erzählst. Ihr musstet das doch machen, weil Mr Ashcroft wollte, dass ihr uns einmal im Monat ›inspiriert‹. Mr Cole hat immer nur von Arsenal geredet.«
    Er musste lachen.
    »Hinterher haben wir dich alle nachgeäfft. ›Lasst es geschehen! Oho! Seht her, ich mach was wahr!‹«
    Wieder lachte er.
    »Aber dann habe ich dich wiedergetroffen. Und du hattest es getan. Du hattest es wirklich getan. Die meisten von diesen Lehrern sind immer noch da. Die unterrichten jetzt meinen kleinen Bruder. Irgendwann unterrichten die wahrscheinlich mein Kind. Denn diese Leute werden für immer und ewig dort bleiben.«
    »Es ist ein guter Job. Und Baby Elgar könnte sich glücklich schätzen, sie als Lehrer zu haben.«
    »Ja, aber wenn du nicht mit dem Herzen bei der Sache bist, musst du dahin gehen, wo dein Herz ist.«
    »Hübsch gesprochen.«
    Er zog die Augenbrauen hoch, legte seinen FishMac weg.
    »Das waren deine Worte. Meine Güte, weißt du denn gar nichts mehr?«
    Ich zuckte mit den Schultern, fühlte mich erwischt.
    »Aber eigentlich ist es auch egal. Du bist aufgestanden, hast deinen gemütlichen kleinen Job verlassen, du bist ein Risiko eingegangen, hast dafür gesorgt,

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