Auf den ersten Blick
kann doch nicht das Ende sein …«
»Vielleicht doch …«, sagte ich mit den Händen in der Luft und wild entschlossen.
Das Mädchen hatte seinen Platz und seine Zeit in meinem Leben gehabt.
Ich musste die Zaunpfähle, mit denen das Leben winkte, nehmen, wie sie kamen. Kein Dev, keine Abbey, keine Sarah … kein London Now, keine Perspektive, keine Hoffnung.
Langsam fing ich an zu glauben, es könnte an mir liegen.
Manchmal ist das Leben eben nicht magisch. Manchmal ist das Leben alltäglich. Es ist ein kurzer Gang zum Schlüsseldienst in der Mittagspause. Es ist das leise, hohe Rasseln einer Glühbirne. Es ist der Nachbar, der rüberkommt, um einem zu sagen, dass man das Licht am Auto angelassen hat.
Nur selten ist es etwas anderes. Vielleicht ist es zum Beispiel der Blick eines Mädchens auf der Charlotte Street. Aber wie lange dauert es, bis ein Blick vergeht? Wie lange kann man sich mit einem Blick über Wasser halten?
Wenn ich zu mir kommen wollte, musste ich mich auf das Machbare konzentrieren. Da draußen laufen auch so schon genug Schlafmützen rum, die große Träume haben.
Und es gab hier einiges zu klären. Meine Freundschaften. Eine eigene Wohnung. Mein Job.
Zoes Interesse war nett gewesen, aber es war das Interesse von jemandem, der einfach nur wissen wollte, wie die Geschichte ausging. Sie musste nicht da rausgehen und es wahr machen. Es wahr zu machen, war schwer. Es kostete Mühe und Zeit und … na ja … ich hatte jetzt einen Job. Musste wohin und hatte zu tun. Und Pläne, ich hatte Pläne.
Ich will ehrlich sein. Ich fühlte mich etwas leer. Als wäre ein Ziel verfehlt oder ein Traum nicht verwirklicht worden. Als wäre ich irgendwie nah dran gewesen, aber woran? Wenn ich es recht betrachtete, war ich ihr gestern nicht näher gewesen als am Anfang. Ich meine, klar, ich hatte ihren Exfreund gefunden, aber was hatte sie mich gekostet, diese kleine Entdeckung? Und wie grandios hatte ich alles vermasselt? Mein Leben, das stetig schlimmer wurde, als wäre das überhaupt möglich, hatte sich durch den kleinen Ausflug aufs Land weiter verschlechtert. Doch diese Leere war noch immer da. Der Schmerz, etwas aufzugeben, von dem ich gehofft hatte, es sei magisch.
Die Magie konnte warten.
Es war Zeit für den Alltag.
Der dritte Tag am St. John’s.
»Oh, Sie sind wieder da«, sagte Jane Woollacombe, die Fachbereichsleiterin Mathematik, und zwar auf eine Art und Weise, wie Leute es tun, wenn sie hören, dass man von irgendwo zurück ist, aber eigentlich gar nicht gemerkt haben, dass man weg war. Wir standen alle im Korridor im Matheblock, ganz grünes Linoleum und pfirsichfarbene Wände, als hätten wir einen Knopf gedrückt, auf dem » 70 er Jahre« stand, um zu sehen, was passierte.
»Und wie war … wo waren Sie eigentlich noch? Auf Reisen oder was?«
»Nein, nicht auf Reisen.«
Nervös fummelte sie an ihrer Schmetterlingsbrosche herum.
»Kleine Karrierepause?«
»Nicht direkt.«
Mit leerem Blick sah sie mich an.
»Ich habe etwas ausprobiert«, sagte ich so beiläufig wie möglich. »Es hat nicht funktioniert. Ich habe von der Hand in den Mund gelebt und kam nur mühsam voran, also habe ich beschlossen, meine Verluste so gering wie möglich zu halten.«
»Oh«, sagte sie und machte ein langes Gesicht. »Nun, Sie sind nicht gescheitert. Denn Sie haben es probiert.«
»Ich habe nicht gesagt, ich sei gescheitert«, sagte ich.
»Und wie … mh …?«
»Sarah und ich, wir haben uns getrennt. Schon vor einer Weile.«
»Nun, Beziehungen … wissen Sie. Auch das ist kein Scheitern.«
»Ich habe nie gesagt, dass irgendwas davon mit Scheitern zu tun hätte.«
»Nun, gut, denn das ist es auch nicht. Aber manche Leute verwenden dieses Wort, obwohl sie es nicht tun sollten, also sagen Sie denen: Was zählt, ist der Versuch!«
»Wer hat das Wort ›Scheitern‹ verwendet?«
»Egal. Niemand. Leute, die es gar nicht wert sind, dass man über sie spricht.«
Misstrauisch musterte sie Mr Willis durch die Glastür neben uns und zog ihre wilden Augenbrauen hoch.
»Und es ist ja nun auch nicht so, als hätte er irgendwas mit seinem Leben angefangen, oder? Huptöne sammeln, oder was sein Hobby ist? Sagen Sie ihm das ruhig.«
Sie hob sich auf ihre Fußballen, wandte sich ab und huschte davon.
Ich sah mir Mr Willis noch mal an. Er lächelte und winkte.
Raum 3 Gc war der, auf den ich mich nicht eben freute.
Raum 3 Gc war von der Mietskaserne aus einzusehen.
Ich ging hinein, ein paar Minuten bevor
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