Auf den ersten Blick
dass was passiert. Du wolltest Journalist sein, also hast du es gemacht. Und als wir diesen Abend in Whitby waren, hast du gesagt, ich sollte einen Kurs belegen oder irgendwas, und mir fiel ein, was du damals in der Schule gesagt hattest, und ich habe dich angesehen und gedacht: Vielleicht hat er es am Ende doch ernst gemeint …«
Wow.
»… aber vielleicht auch nicht.«
»Hab ich. Ich habe es so gemeint, Matt. Bestimmt.«
»Und wieso bist du dann wieder dahin zurück?«
»Manchmal … weißt du … Manchmal kommt einem das Leben in die Quere.«
»Es gibt immer eine Ausrede. Das hast du in deiner kleinen Ansprache oder was das war auch gesagt.«
»Verdammt, hör mal, okay, ich hab mir das alles nur ausgedacht. Ich wäre nie ein Risiko eingegangen. Ich hätte nie was wahr gemacht.«
»Aber dann hast du es eines Tages doch getan. Und das hat mich inspiriert. Nicht das, was du gesagt hast, sondern das, was du getan hast.«
Ich sah ihn an, und da erst wurde mir bewusst, dass er das Wort »inspiriert« verwendet hatte, mir wurde bewusst, dass so etwas noch nie jemand zu mir gesagt hatte, und ich dachte an eine Zeit, in der ich genau das hätte brauchen können.
»Du bist ein guter Lehrer«, sagte er lächelnd. »Aber vielleicht ist Unterrichten eben nicht dein Ding.«
Ich kam spät nach Haus an diesem Abend. Spät, aber glücklich.
Mein Gespräch mit Matt hatte mich an alles Mögliche erinnert. Wie meine Karriere am St. John’s begonnen hatte. Wie mir zumute war. Wie das langsam nachgelassen hatte. Wie ich den Elan verloren hatte. Aber um den zu verlieren, musste man ihn irgendwann gehabt haben. Sollte ich ihn je gehabt haben, wollte ich ihn jetzt wiederhaben. Nicht unbedingt fürs Unterrichten. Nach einer Woche wusste ich, dass dieser Zug abgefahren war. Aber fürs Leben. Für irgendwas .
Mir war klar, dass ich für Matt in erster Linie immer sein alter Lehrer sein würde, und erst dann sein Freund. Aber das war für mich okay. Denn wie sich herausstellte, war ich gar kein so schlechter Lehrer gewesen.
Und jetzt, ob absichtlich oder zufällig, hatte er auch mir geholfen.
Zoe lag schon im Bett, als ich hereinschlich, aber der Fernseher lief noch leise. Irgendein Ratespiel. Ich schüttelte mein Kopfkissen auf, baute mir mein kleines Bett auf dem Sofa und schaltete mein Notebook ein.
Mir schien, es wurde Zeit, mich endlich zu sortieren. Mir eine eigene Wohnung zu suchen. Verantwortung zu übernehmen.
Neben meinem Kissen lag ein kleiner, goldener Umschlag, auf dem »Jase« stand.
Ich machte ihn auf und lächelte. Zoe hatte ihre Sache gut gemacht.
Sollte ich Dev nie wiedersehen, würde er mich dafür doch ewig lieben.
Noch allerdings nicht. Nicht solange ich aufgegeben hatte und weiter am St. John’s war. Bald wäre ich bereit, Dev zu besuchen. Aber vorher musste ich noch einiges regeln.
Ganz oben auf der Liste stand mein Leben.
Montag, 17 : 15 Uhr.
Da war ich nun also wieder im Postman’s Park. Ich hatte nicht gewusst, was ich sonst vorschlagen sollte, und dachte, der paranoide Damien wüsste sowohl die Abgeschiedenheit als auch den öffentlichen Zugang zu schätzen. Was waren wir? Spione?
Es war ein grauer Tag, einer dieser Tage, an denen alles unscharf wird, und ich war ungefähr eine Viertelstunde zu früh dran. Ich habe schreckliche Angst vor Verspätungen. Ich komme lieber eine Stunde zu früh, als dass ich jemanden auch nur eine Minute warten lasse. Dev sagte immer: »Wir kommen erst zu spät, wenn wir zu spät kommen.«
Ich blies Luft aus, wollte wissen, ob ich meinen eigenen Atem schon sehen konnte.
Ich merkte, dass ich nervös war, weil ich Damien wiedersehen würde.
Ich blieb stehen, blickte zum Ehrenmal des selbstlosen Heldentums auf.
WILLIAM GOODRUM
Bahnwärter, 60 Jahre alt
Verlor sein Leben auf der Kingsland Road Bridge, als er einen Arbeiter vor dem sicheren Tod unter dem nahenden Zug von Kew bewahrte.
28. Februar 1880
Das hatte ich bestimmt schon hundertmal gelesen.
»Jason?«
Ich drehte mich um. Damien stand beim Rasen und nickte, als sich unsere Blicke trafen. Er trug eine dieser dreiviertellangen Jacken, die Männer in Zeitschriften tragen, wenn sie neben klassischen Jaguars stehen, an windigen Tagen auf Flugfeldern, während eine schweigsame Blondine mit Sonnenbrille und Kopftuch so tut, als würde sie auf dem Beifahrersitz zwei Zigaretten anzünden. Am Kragen war ein Hauch von hellblauem Hemd zu sehen, das meiste unter einem Schal verdeckt, bei dem es sich vermutlich
Weitere Kostenlose Bücher