Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf den ersten Blick

Auf den ersten Blick

Titel: Auf den ersten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Wallace
Vom Netzwerk:
Nackenhaare auf.
    »Mann, ich habe meine E-Mails gecheckt …«
    »Hm … mal sehen …«
    »Clem …«
    Er genoss es sichtlich und scrollte sich durch weiß Gott was … augenblicklich wurde mir vor Aufregung ganz übel. Was wollte ich sagen, wenn er es herausfand? Wenn er es laut herausposaunte? Die »Wo bist du?«-Rubrik ist ein Bürowitz, ein Ort für müden Spott und milden Zynismus, ein Ort für Guck-dir-an-wie-diese-Leute-drauf-sind!, was geradezu absurd ist, wenn man die vielen einsamen Abendessen bedenkt, von denen hier so einige berichten können, aber trotzdem … Ich würde zum allgemeinen Gespött werden. Ich wäre wie der Neue an der Schule, bei dem alle nur auf seinen ersten Schnitzer warten, und sei es nur ein einziger, damit sie bis in alle Ewigkeit einen Spitznamen für ihn haben …
    »Komm schon, Clem, ich hab doch nur meine Mails gecheckt …«
    »Leicht empfindlich, Jason? Hast du was dagegen, dass ich gucke?«
    »Clem, da ist nichts …«
    »Das möchte ich gern selbst beurteilen, Jason! Es ist mein Computer, wie mich dünkt!«
    Und dann verlor ich die Beherrschung. Ich weiß nicht, was es war. Die hochgezogene Augenbraue? Das herablassende Territorialverhalten? Das unschuldige, lustige Stolpern ins Leben eines anderen? Ich musste ihn aufhalten.
    »Clem, du bist der unlustigste Mensch, dem ich je be gegnet bin. Willst du nicht lieber aufhören, deine be schissenen, kleinen Witze zu erzählen, und deine Arbeit machen?«
    Steif und starr saß er auf seinem Stuhl.
    Kennen Sie diese Momente, in denen man etwas Schreckliches sagt, von dem man gerade eben noch gar nicht wusste, dass man es sagen würde, und es bleiben einem etwa drei bis vier Sekunden, um sich zu überlegen, wie man es heiterer als beabsichtigt klingen lassen könnte? Nun, ich verbrachte meine drei bis vier Sekunden mit Überlegen.
    »Jason, können wir mal reden?«
    Zoe stand neben mir.
    Ich nickte und stand auf. Clem hatte sich immer noch nicht umgedreht. Ich warf einen Blick auf seinen Bildschirm. Da war immer noch seine Log-in-Seite.
    »Ich hätte es gar nicht tun können, selbst wenn ich wollte, Jason, was nicht der Fall war, weil ich die Privatsphäre anderer Menschen respektiere«, sagte er leise.
    Sam traf ein, mit einem grauenhaften Rasurbrand unter der Nase und einem ihrer grässlichen Muffins in der Hand.
    »Also, ich glaube, wir müssen mal über Sarah und dich reden, und alles, was es mit sich bringt«, sagte Zoe im Starbucks um die Ecke.
    »Ich weiß nicht genau, wie ich es finden soll, mit meiner Chefin über derart persönliche Angelegenheiten zu sprechen.«
    Sie lächelte. Damit hätte sie die Sache auf sich beruhen lassen können. Der Mut verließ mich, als ich merkte, dass sie nicht aufgab.
    »Es ist verständlich, dass du niedergeschlagen bist … besonders nach allem, was ihr zwei durchgemacht habt.«
    Sie zog ein gequältes Gesicht.
    »Und …«
    »Wir müssen nicht darüber reden, Zo. Und ich bin nicht unglücklich wegen Sarah. Es hat mich eine Weile aus der Bahn geworfen, aber am besten blickt man doch in die Zukunft und sorgt dafür, dass man sich auf etwas freuen kann.«
    »Komm schon, Jase. Du kriegst eine SMS von ihr, und fünf Minuten später nimmst du den armen Clem auseinander.«
    »Der Typ ist ein Spinner.«
    »Ja, er ist ein Spinner, aber ein netter Spinner«, sagte sie. »Wie mich dünkt.«
    Ich lächelte.
    »Hast du Lust, heute Abend einen Happen zu essen?«, sagte sie. »Ein bisschen quatschen, wie in alten Zeiten?«
    »Heute Abend kann ich nicht. Ich wollte mir einen Gig ansehen.«
    »Schick jemand anderen. Du hast jetzt die Macht.«
    »Ich würde lieber selbst gehen. Es ist eine Band. Die spielen zufällig gerade in South London, und da wollte ich mal reinschauen.«
    »›Zufällig gerade in South London‹? Was machst du in South London?«
    »Ich hab was vor. Ich hab vor … mir was anzusehen«, sagte ich.
    Argwöhnisch musterte sie mich.
    »Tut mir bestimmt gut«, sagte ich und nickte vor mich hin, als würde ich darüber nachdenken, als hätte sie recht und es wäre vielleicht wirklich das Beste für mich. Als wäre es ihre Idee.
    Sie neigte ihren Kopf.
    Wohnungen.
    Im Alaska Building in Bermondsey sind Wohnungen. Wohnungen, verborgen vor South London, versteckt hinter den alten Toren einer ehemaligen Fabrik, aber dennoch Wohnungen.
    Vielleicht wohnte sie dort.
    In … nun, einer alten Robbenfellfabrik. Ich bin mir nicht sicher, ob ich eigentlich von Leuten fasziniert bin, die in alten

Weitere Kostenlose Bücher