Auf den ersten Blick
ja, melde dich!«
Ich betrachtete mein Werk. Ich beschloss, dass mehr Ausrufezeichen nötig waren. Also fügte ich ein paar davon ein. Dann nahm ich einen anderen Stift und fügte noch ein paar hinzu. Dann jedoch wurde mir bewusst, dass Psychopathen das vermutlich auch so machten.
Der Mann schien mit meinen Bemühungen zufrieden zu sein, und so schrieb ich meine Telefonnummer darunter und reichte ihm den Zettel.
»Viel Glück!«, sagte er und schob meinen Kebab über den Tresen. »Hoffe, sie ruft an.«
Ich nickte und warf ein Pfund in seine Sammeldose für Kriegsveteranen.
Draußen, auf der dunklen Straße, stand ich einen Moment lang da und beobachtete, wie der Mann und sein Sohn einen Moment stritten, hell erleuchtet wie eine private Seifenoper. Das Foto hing im Fenster, verschmiert und bereits ignoriert von einem Pärchen, Arm in Arm, mit gesenkten Köpfen, wie ein Team, das gemeinsam gegen die Nacht antrat.
Ich sah auf meine Uhr. Ich war spät dran.
Die Kicks spielten in einem sehr kleinen Laden – dem hellgrünen Crown & Anchor an der Ecke Rodney Place in Camberwell, gleich neben der Autoglaserei, gegenüber von den Wohnsilos.
Bestimmt dachten sie, sie hätten es geschafft.
Ich dachte es jedenfalls. Ehrlich. Schon jetzt kam ich mir vor wie ein echter Musikkritiker. Es hieß, mein Name stünde auf der Liste, was mir drei Pfund Eintritt sparte und das Gefühl gab, wichtig zu sein.
»Hi. Ich bin Jason Priestley …«, sagte ich, und das Mädchen am Eingang lachte.
Das war ich schon gewohnt.
» Wow, riechst du nach Kebab!«, sagte sie. »Entschuldige, wenn ich lachen musste.«
»Oh. Ja. Ich hab gerade … Kebab gegessen. Ich dachte, du lachst über meinen Namen.«
»Wieso sollte ich über deinen Namen lachen?«
Sie schenkte mir ein klitzekleines Lächeln.
»Jedenfalls bin ich von London Now «, erklärte ich.
»Ja, ich weiß«, sagte sie. »Ich dachte, der Name wäre ausgedacht. Du weißt schon, um Ärger zu vermeiden, wenn du schlechte Kritiken schreibst. Ich hab was von dir gelesen. Du bist kein glücklicher Mensch, oder?«
Sie war hübsch, die Kleine, und sie lächelte. Anfang zwanzig vielleicht. Gerader, schwarzer Pony. Sie trug etwas, das wie ein selbstgemachtes T-Shirt aussah, und neonblaue Leggings. Sie war cool. Plötzlich fühlte ich mich wie fünfzig.
»So ist das nicht«, sagte ich. »Ich hab nur … spezielle Vorlieben.«
»Na, sei mal heute nicht so streng …«, sagte sie, und dann nahm sie sanft meine Hand.
Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte.
Und dann gab sie mir einen Stempel.
Die Kicks waren gut. Sie waren richtig gut. Ich meine, wie gesagt, ich bin kein Experte, aber man bezahlt mich dafür, dass ich wie einer aussehe, also versichere ich Ihnen mit meiner besten Expertenmiene: Sie waren gut. Außerdem hatten sie Fans. Vielleicht nur ein Dutzend oder so, aber die waren allesamt aus Brighton extra hergefahren, um sich eine Band anzusehen, die sie normalerweise auch in Brighton sehen konnten, was der beste Beweis für ihre Begeisterung war.
Die Jungs – alle fünf – waren um die neunzehn, aber sie stolzierten herum und rockten los und rissen unbekümmert lässige, pseudo-abgeklärte Witze zwischen den Songs. Ich erkannte die eine oder andere Nummer von der CD wieder und machte mir ein paar Notizen auf der Rückseite einer herumliegenden Serviette.
Ich weiß nie, wie ich mich bei Konzerten verhalten soll. Ich fühle mich unsicher und fehl am Platz. Ich kann mich nicht gehen lassen und traue meinem Rhythmusgefühl nicht, also gucke ich halbwegs finster und nicke, wobei ich hoffe, ich sehe damit aus, als wäre ich in Gedanken, abgehoben, und würde das Ganze unter rein künstlerischen Gesichtspunkten betrachten, auf einem völlig anderen Level. Einen Zettel in der Hand zu halten, verleiht mir zusätzliche Macht. Es bedeutet, dass ich mich zu nichts bekennen muss. Ich bin nicht als Fan gekommen, und auch nicht zufällig. Ich bin hier, um »etwas zu tun«, »aus einem Grund«. Manchmal wünschte ich, ich könnte in meinem Leben immer einen Zettel in der Hand halten.
Und dann trafen sich unsere Blicke.
Das Mädchen an der Tür sah mich an und lächelte. Sie schien den Song zu mögen und machte diese Geste mit den Teufelshörnern in meine Richtung, und ich nickte und lächelte zurück und versuchte mich ebenfalls an der diabolischen Pommesgabel, sah dabei aber eher aus, als winkte ich einem Taxi. Sie wandte sich wieder der Band zu, also setzte ich einmal mehr mein
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