Auf den ersten Blick
wichtiges Gesicht auf und machte noch ein paar Notizen, wahllose Worte wie »Musik« und »Gesang«.
Ich vergewisserte mich noch mal, ob sie zu mir herübersah, leider aber nicht.
Und dann war das Konzert vorbei.
Ich beschloss, noch etwas zu bleiben und mein Bier auszutrinken. Als die Band von der winzigen Bühne kletterte, sah ich, wie das Mädchen die Jungs umarmte. Sie waren verschwitzt und hielten Red-Stripe-Dosen in der Hand. Ich fühlte mich unsicher, also leerte ich mein Bier und faltete eine kleine U-Bahn-Karte auseinander, um her auszufinden, wie ich nach Hause kam.
Doch dann war sie da.
»Bierchen?«, sagte sie.
Es war 1 : 38 Uhr, und wir saßen im Phoenix an der Charing Cross Road.
Abbey (denn das war ihr Name), ich, die Kicks und ihre Fans lallten mittlerweile, aber es war ein freundliches Lallen. Ein gemütliches Lallen. Ich hatte schon eine ganze Menge herausgefunden. Abbey war Single, und sie kümmerte sich um die Werbung und das Booking für die Jungs. Sie studierte Darstellende Kunst an der Brighton University, was sie nicht so toll fand, wie sie sich erhofft hatte, aber viel mehr kann ich Ihnen gar nicht erzählen, denn – wie gesagt – sie hatte mir verraten, dass sie Single war, und jetzt konnte ich an gar nichts anderes mehr denken.
»Du fandst sie also gut, ja?«, sagte sie und kam mir dabei näher, als ich es gewohnt war. Ich glaube, sie hatte Glitter auf den Wangen.
»Fand ich«, sagte ich. »Fand ich echt. Hier … hör dir meine Notizen an …«
Ich fand den zerknüllten Zettel und fing an vorzulesen.
»Musik. Gesang. Lautsprecher. Gitarren.«
Sie kicherte und versuchte, ihn mir wegzunehmen, aber ich schaffte es, ihn festzuhalten.
»Unterschiedliche Songs und Texte«, sagte ich. »Drums gut eingesetzt.«
»Brillanten aus Brighton«, sagte sie. Das blieb bei mir hängen.
Wir saßen auf den Bänken an der Wand, und die Kicks fügten sich gut ins Bild. Lederjacken und wilde Haare und bedruckte T-Shirts. Hier verkehrten normalerweise Theaterleute. Gut aussehende Schauspieler, direkt aus der Aufführung, manche noch nicht mal abgeschminkt, bei einigen hätte man schwören können, dass sie genauso aussahen wie auf der Bühne. Die Kicks brachten etwas Härteres, Jüngeres herein. Und ich sah aus wie ihr Rock’n’Roll-Buchhalter.
Eine Weile hatte ich mich mit Mikey unterhalten. Er schien zu glauben, dass ich ihn interviewte, und ich musste mitspielen, ihm ernsthafte Fragen stellen und den Eindruck erwecken, als merkte ich mir das alles. Er hatte mir erzählt, wie sie zu ihrem Namen gekommen waren (eine Verneigung vor Feargal Sharkey, die ich nicht wirklich verstand, auch wenn ich so tat, als ob) und was sie als Nächstes planten. Und dann blieb mir nichts anderes übrig, als ihnen Ratschläge zu erteilen. Weise Ratschläge von einem Mann mit buchstäblich null Erfahrung, was ihre Welt anging. Aber sie nahmen sie gut auf und tranken auf mein Wohl, und ich kam mir vor, als gehörte ich zu einer coolen, neuen Gang.
Draußen klatschten wir uns zum Abschied ab, was sie für einen Scherz hielten, und ich merkte, dass ich das Wort »Mann« öfter gebrauchte als sonst.
»Nett, dich kennenzulernen, Mann. Viel Glück!«
»Und wann erscheint die Kritik?«, fragte Abbey, die plötzlich neben mir stand.
Ich winkte ein schwarzes Taxi heran, auf wackligen Beinen. Die Jungs kletterten in ihres.
»In den nächsten Tagen«, sagte ich.
Sie sah mich an.
»Erzähl mir was von dir«, sagte sie.
Es kam aus heiterem Himmel. Was antwortete man auf so etwas? Sie wusste schon, dass ich in North London wohnte (aber nicht neben einer Bar, von der alle dachten, da wäre ein Bordell, wo aber gar keins war), dass ich Rezensionsredakteur bei London Now war (aber nicht, dass ich den Job erst seit zwei Tagen machte, und zwar nur, weil jemand krank geworden war) und dass ich Jason Priestley hieß (bei ihrer großen Schwester hatten jahrelang diverse Poster von Brandon Walsh an den Wänden gehangen, sagte sie).
Aber was sonst?
Bleib cool, dachte ich. Du bist ein älterer Mann. Du hast Erfahrung. Du bist urban. Du trägst richtige Schuhe. Du hast eine Brieftasche. Dir fehlt nur noch ein einziger Stempel auf der Clubkarte von Costa, bis du einen Caffè Latte umsonst bekommst.
Stattdessen aber sagte ich …
»Meine Freundin hat mich verlassen, und jetzt ist sie verlobt und schwanger.«
Pause.
»Außerdem habe ich vor Kurzem einen Fotoapparat gefunden.«
Es folgte ein grauenvoller Moment des
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