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Auf den ersten Blick

Auf den ersten Blick

Titel: Auf den ersten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Wallace
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tat so, als wäre das Einloggen schwieriger, als es war. »Schade, dass das mit euch … du weißt schon. Nicht geklappt hat.«
    Und da war er wieder. Dieser vertraute Stich von Schuld gefühlen und Bedauern, diesmal jedoch stärker, weil das alles von Zoe kam.
    »Ja. Na ja«, sagte ich wortgewandt und machte deutlich, dass das Gespräch hier endete. Ich starrte meinen Bildschirm an und legte im Geiste eine Liste der Dinge an, die zu tun waren.
    Clem kam als Nächster ins Büro und schlug die Tür laut klappernd an die Wand, den Wanst in wallendes Schwarz gekleidet.
    »Morgen!«, sagte ich. »Kaffee?«
    »Ja, ich habe immer noch einen leichten Husten!«, sagte er strahlend. »Diese Rippenfellentzündung!«
    Mit der Zeit hatte ich herausgefunden, dass Clem nicht der stille, zurückhaltende Mann war, für den ich ihn damals gehalten hatte, wenn ich nur mal kurz in der Redaktion hereinschaute. Er war ein Mittvierziger, der besonders stolz auf seine wortspielerischen Fähigkeiten, seine Beobachtungsgabe und sein satirisches Talent war. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass er allzu stolz dar auf war.
    »Die Züge hatten mal wieder Verspätung«, sagte er seufzend. »Mal ganz was Neues!«
    Er ließ eine Pause, in der er mit Gelächter gerechnet hatte, und rief dann: »Ich sage: Gebt uns unsere gute, alte Staatsbahn wieder!«
    Ich gab einen höflichen »Ha!«-Laut von mir. Doch da drehte er sich vollends zu mir um. Jetzt hatte er ein Opfer gefunden.
    »Weißt du, wie ich die private Eisenbahn nenne, Jase, wenn ich mit ihr fahren muss? Private Scheisenbahn. Und dann schicke ich hinterher: Na, zum Glück müssen wir ja nicht mit der privaten Brechbahn fahren!«
    Er glotzte mich an, forderte eine Reaktion heraus, doch ich brachte nur einen weiteren »Ha!«-Laut zustande. Aber das war offenbar okay. Vielleicht hatte er seine Munition über die Eisenbahn verschossen. Doch dann versuchte er irgendwas mit der privaten Brechbahn, was sich noch in der Ideenfindungsphase befand, schien aber nichts dagegen zu haben, als ich einfach nicht mehr hinsah und mich auf meinem Drehstuhl abwandte.
    Ich versank in Presseinformationen, und ein paar Kritiken wollte ich gern selbst übernehmen. Zum Beispiel den neuen Jim Jarmusch. Ich mochte Jim Jarmusch. Oder besser, ich mochte seinen Namen. Allein schon, ihn auszusprechen, vermittelte mir das Gefühl, etwas von Film zu verstehen.
    Ich fühlte mich bedeutend.
    Am besten fand ich einfach heraus, was andere Leute über seinen neuen Film geschrieben hatten, um ein Gefühl für die allgemeine Rezeption zu bekommen. Schließlich war es wenig sinnvoll, wenn ich mich gleich in den ersten Tagen zu weit aus dem Fenster lehnte.
    Ich öffnete Google, und als ich »Jim Jarmusch« eintippte, fiel mir unweigerlich auf, dass das gar nicht in dem kleinen Suchfeld auftauchte. Denn ich hatte die Worte auch gar nicht getippt. Getippt hatte ich …
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    Ich sah nach, ob mich jemand beobachtete.
    Ich drückte Suchen.
    »Äh … entschuldige?«, sagte Clem und drehte sich auf seinem Stuhl zu mir herum. »Hat jemand meinen Computer benutzt?«
    Ich erstarrte.
    »Ich nicht«, sagte ich.
    »Wirklich nicht, Jason? Und wieso steht dann dein Name in meinem Log-in-Feld? Es sei denn, es wäre dieser Schauspieler gewesen, der in den Neunzig ern bei Beverly Hills 90210 mitgespielt hat. Den habe ich hier im Büro allerdings noch nie gesehen. Mich dünkt daher, dass du es gewesen sein musst.«
    Ja, ja, okay.
    »Oder gibt es hier vielleicht eine Log-in-Fee, von der ich nichts weiß? Eine kleine Elfe, die sich wahllos einloggt, wie es ihr gerade gefällt?«
    Na gut.
    »Ich war es, Clem. Ich habe mich einmal eingeloggt, während du nicht da warst. Gerade fällt es mir wieder ein. Mein Computer hatte sich aufgehängt. Ich musste irgendwo ins Netz.«
    Clem sah zufrieden aus.
    »Mich dünkt, das Geheimnis ist gelüftet!«
    Er wirkte begeistert, wie ein Mann, der herausgefunden hatte, dass sich allein durch die Verwendung der Formulierung »mich dünkt« alles in einen Scherz verwandeln lässt.
    »Wollen wir doch mal sehen, was du hier so getrieben hast«, sagte er und wandte sich wieder dem Bildschirm zu.
    »Bitte?«
    »Werfen wir einen Blick auf das Ereignisprotokoll der Logdateien. Ich kann alles sehen, was du getrieben hast. Hoffentlich waren es keine Kinderpornos, Jason, die sind inzwischen verboten, und zu Recht, wie ich sagen muss …«
    Er gluckste und fing an herumzuklicken. Mir stellten sich die

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