Auf den Flügeln der Sehnsucht
mehr als ich", konterte Marion. "Allerdings sehe auch ich dir etwas an der Nasenspitze an. Lena fehlt dir. Du bist letzte Woche an einem Morgen so verbittert vom Berg zurückgekommen, dass ich fast schon Angst hatte um dich. Dann hast du deine Zeiten geändert, und jetzt fährst du wieder am Abend hinauf."
"Ich hätte gar nicht gedacht, dass du mich so genau beobachtest, Schwester", sagte Frank lächelnd. Doch seine Augen lächelten nicht mit, sie blieben ernst. "Womöglich hast sogar recht."
"Weiß sie es?"
"Ich hab ihr bereits einen Antrag gemacht."
"Das ist ja wunderbar", jubelte Marion. "Darf ich heute Abend mitfahren zu ihr? Ich will sie doch als meine Schwägerin endlich in die Arme schließen können."
"Bist narrisch geworden? Sie hat meinen Antrag nicht angenommen."
"Jetzt versteh ich gar nichts mehr. Ich hab gedacht, dass sie dich..."
" Lass das, Marion." Frank furchte die Stirne. "Lena ist die Bäuerin und ich nur ihr Angestellter."
"Was hat das mit Liebe zu tun?"
"Eine ganze Menge", begehrte er auf. "Was würde das für einen Eindruck machen auf sie, wenn ich ihr etwas von Liebe erzähle. Sie muss ja glauben, ich sei nur hinter ihrem Hof her?"
"Das kann ich jetzt nicht verstehen." Marion hielt sich die Hand vor den Mund und verdrehte in gespieltem Entsetzen die Augen. "Du machst ihr einen Antrag, ganz sachlich natürlich, sonst glaubt sie, dass du nur ihr Geld willst. Du redest absichtlich nicht von Liebe sondern tust, als sei die Heirat nur ein Geschäft."
"So hab ich es nicht gesagt."
"Mir schon. Hast du Lena am Ende doch deine Liebe gestanden und genierst dich nur, es mir zuzugeben?"
"Ich hab ihr gesa gt, dass wir wunderbar zusammenpassen würden, wenn sie nur ja sagt."
"Alles rein sachliche Gedanken, wie ich gerade festgestellt hab. Eine Frau will zuerst geliebt werden und dann erst geheiratet."
"Aber doch nicht eine Bäuerin."
"Depp", fuhr Marion respektlos auf. "Ist eine Bäuerin denn keine Frau? Ich muss Lena kennenlernen, dann werde ich dir sagen, ob sie eine Frau ist oder ein Mann."
Jetzt musste Frank doch herzlich lachen. Seine kleine Schwester hatte eine Art, Dinge zu ver- und entwirren, die einfach umwerfend war. "Ich glaub, das mache ich mir lieber selbst. Ich will Lena heiraten, weil ihr mein Herz gehört. Nur weiß ich nicht, wie ich ihr das begreiflich machen soll, dass sie nicht glaubt, ich wollte mich ins gemachte Nest setzen."
"Dann sag es ihr einfach."
"Nur, wenn du deinem Werner ebenfalls von deiner Liebe erzählst."
"Das ist etwas ganz anderes." Marion wurde jetzt ernstlich böse. "Dir kann man nicht helfen, Brüderlein. Ganz allein musst du deinen Weg gehen, denn du vernichtest jeden meiner Ratschläge schon im Entstehen. Dabei hab ich wohl ein bisserl mehr Erfahrung auf diesem Gebiet als du. Immerhin bin ich ein gebranntes Kind."
"Um so schlimmer", schmunzelte der Verwalter. "Da du schon einmal an den Falschen geraten bist, darf ich wohl an deiner Menschenkenntnis und auch an deiner Lebensweisheit zweifeln, sonst wäre dir diese Panne nicht passiert. Du hättest gleich sehen müssen, wes Geistes Kind dein Gerd ist."
"Jetzt bist du ungerecht, Frank." Marion begann zu schluchzen. "Ich wollte dir nur helfen, und du machst mich einfach nieder. Das hast du damals auch immer so gern getan, als wir noch Kinder waren."
"Was habt ihr denn schon wieder, ihr Streithähne." Polternd betrat Martin Baumann die gute Stube. "Euch hört man schimpfen bis in die Küche." Er kaute noch genüsslich an dem Kuchen, den Mila am Morgen gebacken hatte.
"Wir streiten gar nicht", widersprach Frank leise und senkte den Blick.
"Freilich streiten wir." Marion wischte sich mit dem Taschentuch die Tränen aus dem Gesicht. "Alleweil muss er mich ärgern. Dabei wollte ich ihm nur helfen, von Lena endlich das Jawort zu bekommen."
"Stimmt das?" fragte der alte Bauer überrascht. "Du willst Lena wirklich heiraten, und sie hat abgelehnt?"
"Das weißt du doch schon, Bauer."
"Freilich hast du darüber geredet. Doch das war vor einigen Wochen. Hast sie jetzt wieder gefragt?"
Frank nickte. "Sie hat... einen Anderen."
"Bist narrisch geworden?" fuhr der alte Bauer auf. "Ich weiß, dass Lena sich in dich verguckt hat. Doch sie hatte bestimmt kein einfaches Leben. Da hat sie halt gelernt, ihre Gefühle für sich zu behalten. Ich hab dir gesagt, dass du
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