Auf den Flügeln des Adlers
Abstammung zusammen.«
Patrick lachte. »Manche Gewohnheiten wird man nie los. Ja, Sie haben wohl Recht. Australier denken grundsätzlich, sie wären so wichtig wie jeder andere, ganz gleich, welchen Beruf sie haben und was ihre gesellschaftliche Stellung ist.«
»Das ist auch dem weit gereisten Engländer Mister Trollope bei seinen Reisen in den Kolonien aufgefallen«, meinte Eamon lächelnd. »Er war ziemlich entsetzt, als ihn der Kutscher wie einen Gleichgestellten behandelte.«
Bis in den späten Nachmittag hinein führten Priester und Soldat ein angeregtes Gespräch über Politik und Geschichte. Bei aller Unterschiedlichkeit verband ihre gemeinsame Erziehung die beiden Männer, die sich von der Ungezwungenheit des jeweils anderen angezogen fühlten. Der Priester holte eine Flasche Whisky hervor, und bevor die Sonne am grauen Himmel untergegangen war, hatten die beiden sie zu drei Viertel geleert.
Mary Casey war, so schnell sie konnte, zu Riley’s Pub gehumpelt, wo sie die Nachricht verbreitete, dass der Enkel des großen Patrick im Dorf eingetroffen war. Für diese Neuigkeit wurde sie mit endlos fließendem Whisky belohnt, während sie den gebannt lauschenden Stammgästen des Lokals ihre Geschichte erzählte.
Die alten Männer nickten weise und saugten bedächtig an ihren Pfeifen, als sie sich an den Patrick Duffy von damals erinnerten. Ein wahrer Riese war das. Sie waren noch jung gewesen, aber sie erinnerten sich gut an die Nacht, in der die britischen Truppen kamen, um ihn zu verhaften. Ein mitfühlender Gerichtsschreiber hatte die Familie gewarnt. Nur wenige Stunden waren sie dem Haftbefehl zuvorgekommen. Aus diesem Grund mussten sie das erste Schiff, das den Hafen verließ, nehmen – und das ging zufällig nach Australien und nicht nach Amerika, wie Patrick Duffy gehofft hatte.
Als der Enkel des großen Mannes schließlich etwas mitgenommen von seinem Trinkgelage mit Vater O’Brien im Gasthaus eintraf, starrten ihn die Gäste mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Mitleid an. Ehrfurcht vor dem Blut, das in seinen Adern floss, und Mitleid, weil sich dieses Blut mit dem der Engländer vermischt hatte.
In der verrauchten Bar nickte Patrick höflich grüßend der Wand schweigender Gesichter zu, die ihn neugierig anstarrten. Er ging sofort auf sein Zimmer. Obwohl er Schlaf bitter nötig hatte, fand er sich in seinen wirren Träumen auf dem Schlachtfeld wieder. Sein Stöhnen und Wimmern verlor sich, während er sich schweißüberströmt von einer Seite auf die andere warf, in der irischen Nacht.
3
Einen Tagesritt östlich vom Ort des Überfalls der Kalkadoon auf die berittene Polizeipatrouille brachte Ben Rosenblum ächzend die letzten Stangen an dem Holzzaun an, den er um seine Viehkoppeln errichtet hatte.
Mit fast dreißig Jahren hatte er sich endlich seinen Traum von einer eigenen Rinderfarm erfüllt. Der Besitz war nicht besonders großartig: eine Rindenhütte mit einem einzigen Raum, ein paar Koppeln und ein Wellblechschuppen, in dem Sättel, Werkzeug und ein paar Strohballen untergebracht waren. Aber eines Tages würde er daraus ein Imperium für seine junge Familie schaffen – das wusste er mit dem Optimismus seiner jüdischen Vorfahren, die das Schicksal selten auf ihrer Seite gehabt hatten.
Früher hatte Ben für Kate O’Keefe, eine großartige Geschäftsfrau, gearbeitet und miterlebt, wie sie zu beträchtlichem Reichtum gekommen war. Als junger Fuhrmann hatte er sie auf dem gefährlichen Weg zu den Goldfeldern am Palmer begleitet. Gemeinsam waren sie mit feindlichen Ureinwohnern, Überschwemmungen, Hunger und Durst fertig geworden. Ihr unermüdlicher Siegeswille färbte auf den jungen Mann ab, der den ersten Teil seines Lebens in den berüchtigten Hafenvierteln Sydneys verbracht hatte. Von Kates leuchtendem Vorbild inspiriert, begann Ben, Geld beiseite zu legen. Das Ergebnis seiner Sparsamkeit war dieser Besitz, dem er aus sentimentalen Gründen den Namen Jerusalem gegeben hatte.
Das war eine verspätete Anerkennung seiner jüdischen Herkunft, obwohl er an sich kein praktizierender orthodoxer Jude mehr war. Auch die Speisevorschriften seiner Religion beachtete er nicht, weil sie ihm angesichts der Härten des Lebens im Grenzland unbedeutend und unpraktisch erschienen.
Seine Hochzeit mit Jennifer Harris – von einem anglikanischen Priester vollzogen – hatte ihn noch weiter von seinem Glauben entfernt. Bens Tante Judith und sein Onkel Solomon Cohen, die beide sehr konservativ waren,
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