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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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jungen Offiziers auf die vor ihm liegende Aufgabe.
    Er hatte seine Männer angebrüllt, ihm zu folgen – und sie folgten ihm. Mit aufgepflanztem Bajonett und um die gebräunten Beine wirbelndem Kilt fegten Lieutenant Patrick Duffy und seine Hochländer mit wildem Kriegsgeschrei heran.
    In dem erbitterten Handgemenge verlor Patrick seinen Revolver, ersetzte ihn jedoch sofort durch das Martini-Henry-Gewehr eines gefallenen Hochländers. In den nächsten fünfzig Minuten schlug er eine blutige Schneise in die Reihen der Feinde der Königin.
    Angriff … Gegenangriff. Schreie und erstickte Flüche von Freund und Feind, die auf Leben und Tod miteinander rangen, Männer, die, tödlich verwundet, in vielen Sprachen nach ihrer Mutter riefen, ein schwarzes Gesicht, das in der Dunkelheit die Zähne fletschte, wilde Mordlust … Stöße mit dem langen Bajonett und qualvolles Stöhnen, wenn das Bajonett im weichen Fleisch sein Ziel fand. Der Nubier, der verzweifelt nach Patricks Gesicht langte, die pure, ungebändigte Lust am Töten. Noch mehr Gesichter und Körper, bis seine rote Jacke steif von Blut war. Die Schlachtrufe seiner grimmigen schottischen Vorfahren brüllend, metzelte er wie im Rausch die Gegner mit dem Bajonett nieder.
    Als alles vorüber war, wurden Lieutenant Duffys Führungsqualitäten und persönlicher Mut in Wolseleys Depeschen lobend erwähnt. Schließlich erhielt er als Belohnung für seine Teilnahme am Feldzug zur Rettung des Suezkanals ein Offizierspatent als Captain.
    Doch die Monate des Feldzugs in der Wüste und in den Sümpfen des Nil hatten seine Gesundheit untergraben. Als er am Fuß von Molly O’Rourkes Grab stand, war er von der Malaria noch so geschwächt, dass seine militärische Haltung in sich zusammenbrach und er zu schwanken begann.
    Mary Casey, die auf ihn zuhumpelte, um ihm zu helfen, entdeckte hinter den Augen, die sie durch das Fieber hindurch anlächelten, eine seltsame Macht.
    Die Augen des Teufels, dachte sie. Augen, die selbst einer Nonne Herz und Jungfräulichkeit rauben konnten!
    Zunächst versuchte Patrick, Mary abzuwimmeln. Schließlich ließ er sich jedoch überzeugen, dass es das Vernünftigste wäre, wenn er bei ihr im Pfarrhaus einen Teller heiße Suppe aß. Er folgte ihr zu dem kleinen, gemauerten Anbau, der sich an die Kirche lehnte. Während sie Patrick ins Haus führte, rief sie nach Vater O’Brien.
    Hastig beendete der Priester, der ihre Rufe gehört hatte, die vorgeschriebenen Gebete und schloss das Messbuch. Als er in die winzige Küche eilte, sah er gerade noch, wie seine gebrechliche Haushälterin einem jungen Riesen auf den abgewetzten Holzstuhl am Tisch half.
    »Vater Eamon O’Brien«, sagte der junge Priester, während er Patrick die Hand reichte. Seinem Auftreten und dem teuren Anzug nach zu urteilen, musste es sich bei dem Fremden um eine bedeutende Persönlichkeit handeln. Als Patrick sich vorstellte, erkannte der Priester sofort den Akzent der gebildeten britischen Oberschicht.
    Unterdessen wärmte Mary Casey die Suppe – eine dünne Grütze aus abgestandenem Gemüse und Gerste, der ein winziges Stückchen Lammfleisch Geschmack verlieh – in einem altmodischen Kessel, den die Feuer von über einhundert Jahren schwarz gefärbt hatten.
    Patrick fühlte die Wärme der Küche in seinen Körper strömen wie die frühe Morgensonne, die sich über den Wüsten des Nilgebiets erhob. Diese Wärme, aber auch die ganze Atmosphäre in der Küche des Priesters, rief flüchtige Erinnerungen an eine Gasthausküche im irischen Viertel Sydneys wach – jenen Ort, wo er mit Tante Bridget, Onkel Francis und Daniels Familie die erste Hälfte seines Lebens verbracht hatte.
    »Sie sind nicht aus dem Dorf, Mister Duffy«, stellte Vater O’Brien sachlich fest. »Obwohl Sie einen hier wohlbekannten irischen Namen tragen, sprechen Sie mit englischem Akzent.«
    Bei dieser Bemerkung lächelte Patrick, denn der junge Priester klang selbst keineswegs so irisch, wie er offenbar glaubte. Im Grunde sah er nicht einmal aus wie ein Priester, sondern eher wie jemand, der in den geheiligten Hallen von Oxford oder Cambridge zu Hause war.
    Eamon war groß und dünn und trug eine Brille. Sein intelligentes, wissbegieriges Gesicht schien unentwegt Fragen zu stellen – selbst wenn seine Lippen schwiegen. »Nein, Vater, ich bin nicht von hier«, gab Patrick mit einem schwachen Lächeln zurück. »Und auch wenn ich mit englischem Akzent spreche, wie Sie sagen, bin ich in Wirklichkeit

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