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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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entgegenkam. Doch der Kalkadoon-Krieger zögerte. Wenn es dem weißen Teufel gelungen war, ins Lager seines Clans einzudringen, hätte er auch längst mit den schrecklichen Waffen der Weißen auf sie feuern können, die blutige Löcher in den Körpern ihrer Opfer hinterließen.
    Terituba war nicht allein. Junge und alte Krieger hatten ihre Waffen zu einer Wand aus Speeren erhoben und blickten dem sich nähernden Weißen verunsichert entgegen, der in jeder Hand einen Sack hielt. An der Hüfte trug der Fremde die Feuerwaffe, die man viele Male abfeuern konnte, ohne dass man wie bei den langen Gewehren nachladen musste. Aber sie lag nicht in seiner Hand.
    »Bringen wir ihn um«, rief ein junger Krieger Terituba nervös zu, »bevor er uns tötet!«
    »Nein«, herrschte Terituba die Männer an. »Erst wenn ich es sage!« Widerwillig gehorchten die Krieger. Es wäre so einfach gewesen, die nach Blut dürstenden Speere auf den einsamen Fremden herabregnen zu lassen.
     
    Jeder einzelne Nerv in Bens Körper schien zu kribbeln, als er sich auf den Einschlag des mit Widerhaken versehenen Speers vorbereitete. Er spielte nicht nur um sein eigenes Leben – es ging um seine beiden Söhne. Aus ihren Spuren hatte er ersehen, dass sie wohl über das Bachbett zurückkommen würden. Dabei mussten sie auf die schwer bewaffnete Kalkadoon-Gruppe stoßen. Also handelte er zuerst. Statt ihnen feindselig gegenüberzutreten, übermittelte er ihnen eine Geste der Freundschaft.
    Er ging weiter auf den Größten unter den nackten Kriegern zu, da er zu Recht vermutete, dass dieser einen beträchtlichen Einfluss auf seine Leute ausübte, die sich entlang des ausgetrockneten Bachbetts versammelt hatten. Breite Schultern und ein massiger Brustkorb, unter deren Haut sich die Muskeln wie Schlangen bewegten, machten ihn zu einer eindrucksvollen Gestalt.
    Während er näher kam, sah Ben, dass ihn der Krieger aus dunklen, unergründlichen Augen fixierte. Etwa zehn Schritte entfernt hielt er an und legte die beiden Säcke auf die Erde. Dann trat er zurück und deutete freundlich lächelnd auf Mehl und Zucker. Kalte Furcht packte ihn, und sein Magen schien sich in eine Masse sich windender Würmer zu verwandeln, während er angespannt wartete.
    Die dunklen, kühlen Augen suchten ihn nach Anzeichen von Angst – oder Wahnsinn – ab. Doch Terituba entdeckte weder das eine noch das andere, und so nahm er an, dass es sich tatsächlich um eine Geste des guten Willens handelte.
    »Tut dem weißen Mann nichts. Er will uns nichts Böses«, rief er seinem Stamm mit lauter Stimme zu. Ben konnte den Umschwung in der Atmosphäre, in der Sekunden zuvor noch tödliche Bedrohung gelegen hatte, deutlich fühlen.
    Vorsichtig wagten sich Frauen, Kinder und Alte aus den nahen Büschen hervor, in die sie sich geflüchtet hatten. Terituba senkte den Speer und ging auf Ben zu, um die beiden Säcke zu seinen Füßen zu untersuchen. Er kannte Mehl und Zucker, weil sie diese köstlichen Nahrungsmittel erbeutet hatten, als sie vor einer Woche südlich von ihrer jetzigen Lagerstätte einen Fuhrmann in einen Hinterhalt gelockt hatten.
    Terituba stieß mit der Speerspitze gegen die Säcke und grinste. Das war das Zeichen, dass alles in Ordnung war. Zuerst wagten sich die Kinder heran. Sie streckten die Hände aus, um das Wesen zu berühren, das man sie zu fürchten gelehrt hatte und das sie nun anlächelte. Schüchtern lächelten sie zurück.
    Die Frauen stürzten sich auf die Säcke und rissen mit den scharfen Spitzen ihrer Grabstöcke daran. Jede wollte das Geschenk für sich. Mit seiner Nullah-Keule brachte Terituba Ordnung in das Chaos. Die Frauen kreischten protestierend, wichen aber zurück und warteten missmutig, bis er auf diejenige zeigte, die ihren Anteil zuerst erhalten sollte. Unterdessen hielten sich die Männer abseits. Mit gesenkten Speeren starrten sie misstrauisch auf den weißen Mann. Nur das Wohlwollen Teritubas hielt ihn am Leben.
    »Ben«, sagte der jüdische Viehzüchter und deutete auf sich. »Ich Ben.«
    »Iben«, wiederholte Terituba. Ben lächelte bei dieser Interpretation seines Namens.
    »Terituba«, erwiderte der Krieger, dem klar war, dass der weiße Mann ihm sein Totem genannt hatte. »Wofür ist das?«, fragte er in seiner Sprache.
    Doch keiner der beiden verstand des anderen Sprache, und ein unbehagliches Schweigen breitete sich aus.
    »Ich suchen Piccaninnies meine«, sagte Ben schließlich, um das Schweigen zu brechen. Terituba verstand

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