Auf den Flügeln des Adlers
hätte er das Todesurteil des Engländers unterzeichnet.
Manfred nickte, und Gunter ließ die scharfe Spitze des Messers unter die Haut über Michaels Rippen gleiten. Langsam stieß er sie nach oben, sodass die Klinge über Knochen und Knorpel glitt, ohne in den Brustraum einzudringen.
Gequält bäumte Michael sich auf, als das Messer die bloßgelegten Nerven durchtrennte. Er stieß einen gurgelnden Schrei aus, und Blut spritzte auf das Deck, als Gunter die Klinge zurückzog und Michael den Rücken zuwandte.
»Wer weiß in Sydney noch von unseren Plänen?«, fragte der Baron mit ruhiger Stimme, wobei er Michael ins Gesicht starrte. Sein Auge würde ihm verraten, ob er die Wahrheit sagte.
»Nur ich. Und Ihre Frau«, keuchte dieser. Gott sei Dank war John Wong abgereist.
»Penelope?«, fragte Manfred überrascht. »Haben Sie meine Frau bei Ihrem Besuch hier gesehen?«
Michael hoffte, dass sein Folterknecht die Nerven verlor und ihn in seiner Wut tötete. Ein schneller Tod war bei diesen Qualen eine Erlösung.
Aber Manfred lächelte nur, als ihm klar wurde, was Michael vorhatte. »Ich weiß, dass Sie eine Affäre mit meiner Frau hatten, Mister Duffy«, flüsterte er Michael ins Ohr, sodass seine Männer es nicht hören konnten. »Mein Frau hat eine Vorliebe für ungewöhnliche Ausschweifungen. Sie fügt anderen gern Schmerzen zu. Das erregt sie in einer Weise, die Ihnen sicherlich bekannt ist. Wenn ich ihr erzähle, wie Sie gestorben sind, wird das ihre Fantasie noch lange Zeit beschäftigen. Vielleicht wird sie es sogar bedauern, dass sie Sie nicht selbst foltern konnte. Versuchen Sie also nicht, mich zu provozieren, indem Sie von meiner Frau sprechen.«
Schon wollte Manfred Gunter anweisen, mit der Tortur fortzufahren, als er plötzlich ungläubig über Michaels Schulter starrte.
»Wir beide sollten uns unterhalten«, sagte Horace, der den Blick, auf seinen Stock gestützt, erwiderte. »Unter vier Augen.«
Manfred nickte und bedeutete Horace, ihn in seine Kabine zu begleiten.
Als sie gegangen waren, zündete Gunter eine Zigarette an und steckte sie Michael zwischen die Lippen. »Tut mir Leid, was hier geschieht«, sagte er entschuldigend, »aber Befehl ist Befehl.«
»Ich weiß, nichts Persönliches«, erwiderte Michael, »Sie tun bloß Ihre Arbeit. Mir war’s nur lieber, Sie wären nicht so verdammt gut darin.«
Der bullige Deutsche lachte so bitter, dass es mehr wie ein Schnauben klang. Erstaunlich, dass der Ire selbst in dieser Lage seinen Humor nicht verlor. Ein tapferer Mann, der hart im Nehmen war!
*
»Lange nicht gesehen, Mister Brown«, sagte Manfred, während er sich an einem Tisch in seiner Kabine niederließ. Horace nahm auf dem Stuhl Platz, den ihm der Deutsche anbot. »Wenn ich mich recht erinnere, war es bei French Charley’s in Cooktown – einem exzellenten Restaurant übrigens. Damals befand sich Ihr Freund Michael Duffy gerade auf einem Rachefeldzug. Er wollte den Tod seiner Buschläufer auf der Osprey rächen und tötete dabei, ohne es zu wissen, den Mörder meines Bruders.« Die Umstände ihrer damaligen Begegnung waren wesentlich angenehmer gewesen als jetzt: Die beiden Führungsagenten hatten für jene Nacht einen Waffenstillstand geschlossen – eine seltene Ausnahme.
»Allerdings hat man mir gesagt, Sie würden sich gegenwärtig in Townsville aufhalten«, setzte er hinzu.
»Ihre Informationen sind veraltet«, tadelte Horace nachsichtig. »Ich bin seit über vierundzwanzig Stunden in Sydney, und Sie hatten keine Ahnung davon. Nicht sehr professionell, alter Junge.«
Manfred runzelte die Stirn. »Sie sind hier, um Mister Duffy zu retten«, erklärte er kurz angebunden. »Ich glaube kaum, dass Sie die Behörden in Ihren Plan eingeweiht haben. Wie Sie selbst gesagt haben, könnte Duffy aus dem Regen in die Traufe kommen, wenn die Polizei informiert wird.«
»Ich bin allein«, erwiderte Horace und beugte sich, auf seinen Stock gestützt, vor. »Ich will mit Ihnen um sein Leben handeln, von Gentleman zu Gentleman.«
»Ich höre«, erwiderte Manfred höflich und voller Respekt für den Engländer, der mit seinem Kommen sein eigenes Leben riskierte. »Aber ich bezweifle, dass Sie etwas zu sagen haben, das Mister Duffy helfen könnte.«
»Warum wollen Sie ihn töten, wenn Sie doch wissen, dass ich Ihren Auftrag, Neuguinea zu besetzen, kenne? Darüber hinaus hegen auch einige Mitglieder meiner Regierung einen entsprechenden Verdacht gegen Sie.«
»Ein Verdacht ist eine Sache, aber
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