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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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Als Godfrey mir telegrafierte, dass Ihr Sohn vermisst wird, begann ich, mein Leben infrage zu stellen.« Er brach ab, da der Wirt an ihrem Tisch erschien und fragte, ob Horace eine weitere Portion wünsche. Dieser lehnte höflich ab, lobte aber die gute Küche. Sichtlich zufrieden verschwand der Mann, und Horace setzte seine Ausführungen mit leiser Stimme fort. »Wenn ich religiös wäre, würde ich mich vielleicht mit Saulus vergleichen, dem auf der Straße nach Damaskus eine göttliche Erleuchtung zuteil wurde. Plötzlich wurde mir klar, wie albern das ist, was wir da treiben. Mein Leben lang habe ich versucht, meine Kollegen in London auf die Bedrohung aufmerksam zu machen, die die Deutschen in diesem Teil der Welt für die Interessen Ihrer Majestät darstellen. Dabei begegnete mir nichts als Gleichgültigkeit. Auf der einen Seite waren wir mit unserer fernen Sträflingskolonie, an die sich England nur erinnert, wenn der Löwe um Hilfe brüllt und wir Truppen entsenden. Auf der anderen Seite war Ihr in Australien geborener Sohn, der sich für die gesichtslosen grauen Männer opfert, die sich nur für den Ruhm Englands interessieren.«
    »Das klingt fast nach Hochverrat, Horace«, unterbrach Michael ihn sanft. »Sie reden wie ein Australier, nicht wie ein echter Engländer.«
    Horace lächelte traurig über diesen Tadel. »Ich glaube, ich war zu lange in den Kolonien, Michael. Meine Loyalität vermischt sich … hat sich bereits verwischt«, verbesserte er sich. »Mittlerweile sehe ich ein Volk, das verzweifelt versucht, Mutter England zu beweisen, wie erwachsen es ist. Aber Mutter England kann ein hinterhältiges Miststück sein. Sie wird diese irregeleitete Loyalität für ihre zukünftigen Kriege einsetzen. Das Blut der stolzen, hoch gewachsenen Tommy Cornstalks wird fremde Felder düngen, während ihr Schicksal von der englischen Öffentlichkeit alsbald vergessen sein wird. Die Zeit wird kommen, merken Sie sich meine Worte. Vielleicht werden wir es nicht mehr erleben, aber die Zeit wird kommen, so unausweichlich, wie von Fellmann das nördliche Neuguinea für den Kaiser beanspruchen wird. Und die ersten Australier, die sterben, werden im Kampf um die Gebiete fallen, die die britische Regierung in ihrer blinden, stupiden Gleichgültigkeit gegenüber den Interessen dieses Landes verschenkt hat.«
    »Sie glauben also, wir haben in den letzten zehn Jahren unsere Zeit verschwendet?«, fragte Michael. »Meine Arbeit während der letzten zehn Jahre war völlig umsonst?«
    Horace langte über den Tisch und tätschelte Michael beruhigend die Hand. »Nein, keineswegs, mein Junge«, meinte er seufzend. »Damals schien alles sinnvoll. Wir haben versucht, Dinge zu verändern. Aber am Ende hat es außer uns beiden niemandem viel bedeutet.«
    »Ich habe aber nie wirklich für Ihre Interessen gearbeitet«, gab der Ire voller Bitterkeit zu. »Vermutlich hing ich wie ein Fisch an der Angel am Geld und an dem einzigen Leben, das ich kannte. Ein Ire, der sich für die Interessen Großbritanniens einsetzt. Hah!«
    »Trotz Ihrer persönlichen Gefühle haben Sie Ihr Leben mehr als einmal für uns riskiert«, erwiderte Horace. »Aber jetzt wird es Zeit, dass ich zu den grünen Feldern Englands zurückkehre und Sie Ihr eigenes Leben finden. George Godfrey hat mir erzählt, welchen Vorschlag Ihnen Lady Macintosh bezüglich der Suche nach Ihrem Sohn unterbreitet hat. Wann reisen Sie in den Sudan ab?«
    »In drei Tagen. Bis Suez fahre ich mit dem Schiff. Von dort geht es in den Sudan, wo ich mich mit dem Generalstab treffe. Der Colonel hat mir Empfehlungsschreiben besorgt.«
    »Guter alter George. Im Generalstab dürfte er so ziemlich jeden kennen«, bemerkte Horace, während er gedankenverloren den Mah-Jongg-Spielern zusah. »Was werden Sie tun, wenn Sie Ihren Sohn gefunden haben? In die Kolonien zurückkehren?«
    »Wenn ich meinen Sohn gefunden habe, werde ich etwas zu Ende bringen, das ich vor langer, langer Zeit begonnen habe.«
    »Maler werden?«, riet Horace. Michael nickte. »Man sollte immer versuchen, seine Träume zu verwirklichen. Uns wird nur wenig Zeit geschenkt, und am Ende verblassen die Träume, und wir versinken in die ewige Dunkelheit des Todes, das weiß ich nun.«
    »Ich werde Ihnen was sagen, Horrie.« Michael grinste grimmig, als Horace bei dieser bewussten Verstümmelung seines Namens zusammenfuhr. »Sie sind vielleicht ein schlauer Fuchs, für den nur die Interessen der Königin zählen, aber irgendwie mag ich

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