Auf den Flügeln des Adlers
behaupten, dort gehen die Geister der Schwarzen um, die Sir Donald zweiundsechzig vertreiben ließ. Sogar meine weißen Viehhirten glauben diese Geschichten! Aber nach dem, was ich mittlerweile über die Berge weiß, kann ich mir nicht vorstellen, dass sich da Schwarze rumtreiben.«
»Ich weiß nicht, ob Sie von Wallarie gehört haben, einem Darambal, der aus dieser Gegend stammt«, sagte Gordon.
»Gehört habe ich von ihm.« Duncan nickte. »Angeblich hat er bei der Vertreibung des Nerambura-Clans bei den Wasserlöchern den jungen Angus Macintosh getötet und später Sir Donald mit seinem Speer erledigt. Ich dachte, der Kerl wäre ein Mythos, den die Schwarzen erfunden haben.«
»Wallarie ist absolut real«, erklärte Gordon grimmig. »Gegenwärtig macht er wieder den Busch unsicher. Allerdings hat er inzwischen einen Partner, einen meiner früheren Polizisten. Sein Name ist Peter Duffy.«
»Duffy? So hieß doch der Fuhrmann, den die Eingeborenen nach der Vertreibung getötet haben.« Cameron hatte die Geschichte von den alten Viehhirten der Station gehört. »Gibt es da eine Verbindung?«
»Das ist sein Enkel, ein Halbblut.« Gordons Stimme klang müde. »Aber es sieht so aus, als hätten die Nerambura den irischen Fuhrmann gar nicht getötet. Möglicherweise war es Lieutenant Mort, der Kommandeur des Trupps, der für die Vertreibung verantwortlich war.«
Mary Cameron hatte den Geschichten über die geheimnisvollen Hügel im Süden ihres Heims schweigend gelauscht. Während der Renovierung des Hauses hatte sie Sir Donalds alte Tagebücher gefunden und angewidert seine kurze Schilderung jenes entsetzlichen Tages gelesen. Jetzt fiel ihr ein weiteres Detail ein.
»Das ist ja merkwürdig, Inspektor«, sagte sie ruhig. Gordon wandte sich ihr zu. »An dem Tag, von dem Sie und mein Mann sprechen, war ein gewisser Sergeant Henry James stellvertretender Kommandeur der berittenen Eingeborenenpolizei.«
»Mein Vater, Missus Cameron«, erwiderte Gordon leise.
Mary Cameron warf ihm einen merkwürdigen Blick zu. »Wenn man alle Teile zusammensetzt, sieht es so aus, als würde sich die Geschichte auf eigenartige Weise wiederholen.«
»Das hoffe ich nicht«, wehrte Gordon ab. »Das hoffe ich wirklich nicht.«
»Am besten gehen wir ins Haus«, meinte Duncan Cameron höflich. »Hat keinen Sinn, dass wir den ganzen Tag hier draußen rumstehen. Ah Chee!«, brüllte er, und ein alter Chinese, dem der Zopf bis zur Taille hing, eilte hinter dem Haus hervor.
»Ja, Massa Camerwon.«
»Zeig den Polizisten die Quartiere für die Scherer, da können sie die Nacht verbringen. Und sag dem Koch, er soll genug für alle kochen.«
Der Gärtner verbeugte sich ruckartig, indem er in der Taille einknickte, und trieb die Polizisten wie ein Hütehund zusammen, um sie zu den leer stehenden Quartieren der Scherer zu führen.
Nachdem sich Gordon vergewissert hatte, dass seine Leute gut versorgt und anständig untergebracht waren, schlenderte er zum Haupthaus, um mit dem Verwalter und seiner hübschen Frau den Nachmittagstee einzunehmen. Ihm war aufgefallen, dass sich ihr Bauch verdächtig rundete, und für einen flüchtigen Augenblick stellte er sich Sarah vor, wie sie sein Kind trug. Es war ein tröstliches, herzerwärmendes Bild, das ihn zum Lächeln brachte.
Auf der Veranda wischte er sich die Stiefel ab, bevor er klopfte. Er wurde hereingebeten, und ein eingeborenes Dienstmädchen nahm seine Mütze, während er den Revolvergurt löste und an einen Kleiderständer im Gang hängte. Nach städtischen Maßstäben war das Haus nicht luxuriös, aber zumindest geräumig und sauber. In der Rindenhütte, die Donald Macintosh einst errichtet hatte, wurde nun das Heu für die Pferde aufbewahrt.
Gordon gesellte sich zu Duncan und Mary; sie saßen im Garten im Schatten einer runden Laube, die offenbar einmal von Weinreben überwuchert werden sollte. Während die drei die aktuellen Wollpreise, die Transportkosten für Rindfleisch und die letzten Nachrichten aus dem fernen Sudankrieg erörterten, servierte das Dienstmädchen Tee und Scones.
Südlich des Farmhauses saß Wallarie auf dem erkalteten Gipfel eines ehemaligen Vulkans und beobachtete, wie der orangefarbene Feuerball über der Ebene langsam vom Busch verschluckt wurde. Ein Abend ohne Kinderlachen, ohne nörgelnde Alte, dachte er traurig. Nur die sanften Geräusche des Buschs, der sich für die Nachtruhe vorbereitete, die Sprache der Erde, so wie es in der Traumzeit gewesen war, bevor sein
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