Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
Vom Netzwerk:
Versteck, wo er verzweifelt zugesehen hatte, wie sich die Staubwolke über der sich zurückziehenden britischen Armee immer weiter entfernte.
    Ihm war klar, dass er Wasser finden musste. Zu seinem Glück stieß er in den Hügeln auf einen alten Brunnen, den Derwische und Briten gleichermaßen übersehen hatten. Er war nicht vergiftet, und Patrick trank das kühle, aber schlammige Wasser, als wäre es der köstlichste Champagner.
    In den folgenden drei Wochen lebte er wie ein nächtliches Raubtier, das den nichts ahnenden Beduinen, die sich in der riesigen Festung der sudanesischen Wüste sicher fühlten, ihre Vorräte abjagte. List und die scharfe Klinge seines Messers verhalfen ihm zu einem kleinen, aber ausreichenden Vorrat an Datteln und ungesäuertem Brot, der zumindest garantierte, dass er jeden Tag aufs Neue die glühende Sonne aufgehen sah.
    Seine tödlichen, verborgenen Raubzüge in die Lager der Wüstenbewohner lösten eine nie gekannte Welle des Entsetzens aus, wie sie selbst der Einmarsch der britischen Armee nicht hervorgerufen hatte. Zumindest hatten sie die britischen Ungläubigen sehen können, aber dieser nächtliche Besucher glich den Dämonen der Wüste! Ein böser Geist, der sie heimsuchte, wenn die Sonne ihre Kraft verlor und die Wüste kalt war wie ein Leichnam. Ein Teufel, der den Kameltreiber mit durchschnittener Kehle liegen und sich des Tages niemals blicken ließ – ein weiterer Beweis dafür, dass es sich nicht um ein menschliches Wesen handelte.
    Jede Nacht marschierte Patrick ein Stück weiter nach Nordosten, allerdings nicht in gerader Linie, weil er wusste, dass die Patrouillen der Derwische genau damit rechneten. Geduld und Vorsicht wurden sein Überlebensmotto, während er sich langsam, aber sicher dem Hafen Suakin näherte.
    Außer Patricks Schlauheit und Überlebensinstinkt zählte in diesem Leben nichts mehr. Vergessen war die Frage, ob er seinen Glauben aufgeben und den Namen Macintosh annehmen sollte. Fuchsjagden und elegante Bälle, wie er sie in England kennen gelernt hatte, interessierten ihn nicht mehr. Es ging nur noch darum, ein Versteck zu suchen und ein Lager zu finden, das er nach Einbruch der Dunkelheit ausrauben konnte.
    Gegen Ende der drei Wochen war sein Durchhaltevermögen erschöpft. Die Zeit verschwamm zu einem bedeutungslosen Nebel, und seine zerrissene Uniform war steif vom Blut ungezählter Männer, denen er auf der Jagd nach Proviant die Kehle durchgeschnitten hatte.
    Manchmal saß er bei Sonnenuntergang im Schatten eines Dornbuschs und blickte nach Westen über das flache Land, das die versinkende Sonne in ein weiches Licht tauchte. Gelegentlich dachte er in diesen einsamen drei Wochen auch an Catherine. Doch das erinnerte ihn nur an den Schmerz, den sie ihm zugefügt hatte, indem sie ihn erst hatte glauben lassen, sie würde auf seine Rückkehr warten, nur um ihn dann mit ihrem herzlosen Schweigen zu quälen.
    Trotzdem wusste Patrick, dass hinter dem Horizont die Insel der keltischen Nebel lag, ein Ort voller Magie, die Heimat Morrigans. Dann wich der Schmerz einer Bitterkeit, die sich aus seinem verzweifelten Hass nährte. Er musste überleben, damit er Catherine die alles entscheidende Frage stellen konnte: Warum?
    Schließlich kam der Tag, an dem er die flimmernden Umrisse von drei Kamelreitern entdeckte, die sich vor dem Horizont abhoben. Sein erster Instinkt war, sich tiefer in den Sand unter dem Mimosenbaum zu vergraben. Doch der Lichtblitz erregte seine Aufmerksamkeit. Konnte es sich um eine britische Streife handeln? Stammte der Blitz von einem Fernglas oder Teleskop? Soweit er wusste, benutzten die Derwische in der Wüste keine Sehhilfen. Doch mittlerweile war es ihm fast gleichgültig, ob er lebte oder starb. Wenn es Beduinen waren, dann würde er zumindest im Kampf fallen, dachte er, während er sich auf die Beine zwang. Mit letzter Kraft taumelte er auf die Patrouille zu.
     
    Major Hughes begrüßte Patrick mit aufrichtiger Begeisterung. Die Entscheidung, ihn auf die Aufklärungsmission zu schicken, war ihm schwergefallen. Seit er erfahren hatte, dass der Junge vermisst wurde, hatte sie schwer auf seinem Gewissen gelastet. War das Ziel der Mission das Leben eines jungen Offiziers wert gewesen, der zu den Besten in der Brigade zählte? Als er einige Tage zuvor von Patricks Rückkehr nach Suakin erfahren hatte, hatte er eine Flasche von seinem besten Portwein geöffnet und allein geleert, um das Ereignis gebührend zu feiern. Dass Patrick

Weitere Kostenlose Bücher