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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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unerschütterlichen religiösen Überzeugung. »Ich kann dafür sorgen, dass Mister Duffy seinem Sohn nie begegnet«, erwiderte er mit einem traurigen Seufzer. »Wenn Sie das wollen.«
    »Ja, das will ich, George.«
    Der frühere Offizier der britischen Armee nahm Enids Wunsch nur ungern zur Kenntnis, denn er bewunderte den Iren, den er zuletzt bei Horace Browns Beerdigung gesehen hatte, fast gegen seinen Willen. Der kleine Engländer war in der Erde jenes Landes zur letzten Ruhe gebettet worden, das ihm so sehr ans Herz gewachsen war, dass er am Ende seine Loyalität zu Australien über die strategischen Interessen Englands gestellt hatte. Godfrey wusste, dass Horace für Michael Duffy das größte Opfer gebracht hatte, zu dem ein Mensch fähig war. Der Ire hatte seinen Freund betrauert, der in den letzten zehn Jahren auch sein Arbeitgeber gewesen war. Keine Tränen, nur die vom Schmerz verzerrten Züge hatten vorn Kummer des Hünen gezeugt.
    Die Expedition des Barons war längst aufgebrochen, um ihre Mission zu erfüllen, und Deutschland erhob nun Anspruch auf die zweitgrößte Insel des Planeten. Als die kaiserliche Flagge auf der Gazelle-Halbinsel gehisst wurde, kam es in den deutschenglischen Beziehungen zu einer kleineren Krise. Bismarck hatte seine Absichten im Pazifik sorgsam vor den Engländern verborgen, und die britische Admiralität wurde erst im Dezember umfassend informiert. Nachdem die Annexion so problemlos verlaufen war, drängten die deutschen Kaufleute darauf, in der Region noch weitere Ansprüche zu erheben. Immer deutlicher zeichnete sich ab, dass Horace die territorialen Ambitionen der Deutschen im Pazifik richtig eingeschätzt hatte.
    Manfred von Fellmann hatte vor seiner Abreise persönlich an der Beerdigung seines einstigen Feindes teilgenommen. Damit hatte sich die Trauergemeinde auf drei vergrößert. Der Preuße hatte auf einer Seite des Grabes gestanden, Michael und George Godfrey auf der anderen. Höflich hatten sie einander begrüßt und sich die Hände geschüttelt.
    Und nun verlangte Enid von Godfrey, dass er Michael Duffy daran hinderte, seinen Sohn kennen zu lernen! Es lag tatsächlich im Bereich seiner Möglichkeiten, ihren Wunsch zu erfüllen. Sein langer Arm reichte über den Indischen Ozean bis nach Afrika.
    »Können Sie zum Abendessen bleiben, George?«, fragte Enid.
    »Ja, ich bleibe zum Essen«, erwiderte er, verwundert über den abrupten Themen Wechsel – als wäre in den letzten Minuten nichts von Bedeutung vorgefallen. Aber so war Enid: Sie wechselte die Verbündeten schnell und ohne jeden Skrupel, wenn es die Ereignisse verlangten.
    Nicht alle Verwandten von Captain Patrick Duffy begrüßten seine Auferstehung von den Toten. Granville White kochte vor Wut, als er allein in seiner Bibliothek den kurzen Bericht über Patrick las, der auf wundersame Weise hinter den feindlichen Linie überlebt hatte. Seine heldenhafte Leistung war von der Zeitung, die Enid vor kurzem im Zuge der Erweiterung des Macintosh-Imperiums erstanden hatte, kräftig ausgeschmückt worden. Noch mehr verbitterte es Granville, dass auf der ersten Seite der Zeitung ein Porträt des Helden der schottischen Brigade erschien, in dem dieser als Sohn der Kolonie Neusüdwales und Enkel der als Philantropin bekannten Lady Enid Macintosh präsentiert wurde.
    Wenn Duffy heimkehrte, würde Granville bereit sein. Am Ende konnte nur einer das Erbe des Firmenimperiums der Macintoshs antreten! Durch die Vereinbarung, die er mit seiner Frau getroffen hatte, war es ihm unmöglich geworden, Patricks Anspruch auf sein Erbe infrage zu stellen, aber es gab andere Wege, einen Menschen in Misskredit zu bringen. Wenn es Kapitän Mort damals doch nur gelungen wäre, Duffy beseitigen zu lassen, dann hätte er sich die ganze Energie sparen können, die er jetzt darauf verwenden musste, ihn zu Fall zu bringen!
    Mit deutlichem Ticken verkündete die Wanduhr in der Stille der Bibliothek die verrinnende Zeit. Granville saß hinter seinem Schreibtisch und dachte nach. Dabei fiel sein Blick auf die Sammlung von Speeren, Nullah-Keulen und Bumerangs an der Wand, und er fühlte, wie ihn kaltes Entsetzen packte. Nicht zum ersten Mal. Ihm war klar, dass es sich um reinen Aberglauben handelte. Doch die Furcht vor dem Unbekannten ließ sich nicht so einfach abschütteln. Von Zeit zu Zeit suchte sie ihn in seinen Träumen heim. Dann sah er einen Ort vor sich, an dem er nie gewesen war, von dem er jedoch oft genug gehört hatte: Glen View in

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