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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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Volk geboren wurde.
    Geistesabwesend zupfte der Krieger an seinem langen, mittlerweile von grauen Strähnen durchzogenen Bart. Seine Gedanken waren bei den längst vergangenen Tagen, als er und Tom Duffy Seite an Seite gesessen und auf dasselbe Buschland geblickt hatten. Damals waren sie mit der kleinen Gruppe, die die Vertreibung überlebt hatte, auf ein Walkabout ins Channel Country, das Land der Kanäle, gegangen. Wie lange war das her!
    Die Leute des Schafzüchters hatten den alten Mann und den Jungen getötet, die mit ihnen auf die Wanderung gegangen waren. Die alte Frau hatten sie erschossen und Toms Frau mitgenommen. Aber der Ire und er hatten die Mörder aufgespürt und blutige Rache genommen. Damals hatte er gelernt, wie ein Weißer zu töten, und er hatte es nie vergessen. Er ritt und schoss wie sie, und er sprach ihre Sprache. Nun fühlte er, dass Gordon James ihnen dicht auf den Fersen war.
    Die Sonne war fast verschwunden, und die Stille, die jene Zeit zwischen Tag und Nacht auszeichnete, legte sich über den Berg. Der alte Krieger erhob sich und griff nach seinen Waffen: Snider-Büchse und Steinaxt. Eine bizarre Mischung.
    Am Fuß des Hügels saß Peter am Lagerfeuer. Wallarie würde zu ihm gehen und ihm die Geschichten der Nerambura erzählen. Dann würde er ihm die Bedeutung des heiligen Gemäldes an der Höhlenwand und seiner Figuren erklären, und sie würden spüren, wie die Geister des heiligen Ortes zu ihnen kamen. Am Morgen würde er Peter auf seine Initiation in die Welt der Männer vorbereiten. Natürlich konnte es keine echte Einführungszeremonie werden, darüber war sich der Darambal im Klaren; aber besser als gar keine.
    Doch als er in die Höhle kam, war Peter schon dort. Er saß im Schneidersitz vor dem Feuer. Matilda, seine Gefährtin, hatte er in ihrem Lager an einem Wasserloch unterhalb des Hügels zurückgelassen. Nicht am Ort des Massakers – der war tabu –, sondern weiter oben am Bachbett. Dort wartete sie darauf, dass Peter als echter Nerambura zu ihr zurückkehrte.

41
    Ein hager gewordener Captain Patrick Duffy meldete sich nach seiner dreiwöchigen Wanderung durch die Ödnis des Sudan im Brigadehauptquartier. Die hinter ihm liegenden Qualen schienen ihm nicht aus dem Kopf zu gehen. Er sprach jedoch kaum von seinen Erlebnissen. Wenn er sich überhaupt äußerte, dann meinte er nur, er habe Glück gehabt.
    Glück und seine angeborene körperliche und geistige Stärke hatten ihn am Leben erhalten, nachdem er in jener Nacht auf die Derwische gestoßen war. Weniger fähige Männer wären in seiner Situation verzweifelt und hätten sich aufgegeben, aber er hatte überlebt. Die zerlumpten, blutbefleckten Überreste seiner Uniform sprachen Bände. Niemand wollte dem Captain mit Fragen zusetzen, nachdem er offensichtlich alles verdrängt hatte, was geschehen war, bevor ihn die Kamelpatrouille fand. Mit der Zeit mochte er sich vielleicht öffnen und über seine Erfahrungen sprechen, aber für den Augenblick brütete er schweigsam vor sich hin.
     
    In der Nacht seiner unglückseligen Mission hatte er blind auf die Gestalten gefeuert, die sich aus der Finsternis erhoben. Dann war er im Schutz der Dunkelheit geflohen. Doch anstatt zu versuchen, seine eigenen Linien zu erreichen, hatte er die Nacht genutzt, um sich tiefer in feindliches Territorium zurückzuziehen. Wie er richtig vermutet hatte, gingen die Derwische davon aus, dass er versuchen würde, sich in die Zareba zu retten.
    Als am nächsten Morgen die Sonne über Stein, Sand und Dornenbusch aufging, lag Patrick verborgen zwischen den Felsen eines kleines Hügels im Herzen des von den Derwischen kontrollierten Landes. Hilflos musste er zusehen, wie schwer bewaffnete Derwisch-Streifen zwischen ihm und den kakifarbenen Uniformen der sich zurückziehenden britischen Streitmacht patrouillierten. Seine Entscheidung, es nicht zu den eigenen Linien zu versuchen, war richtig gewesen.
    Mit den Lanzenreiter-Patrouillen Kontakt aufzunehmen, die er als winzige Gestalten am Horizont sah, war unmöglich. Offenkundig suchten sie nach ihm. Doch überall lagen Scharfschützen und Derwisch-Trupps im Hinterhalt, die die Lanzenreiter mit Kugel, Speer und Schwert empfangen würden, sollten sie sich unvorsichtigerweise zu weit von dem Rechteck der britischen Hauptmacht entfernen. Wenn er versuchte, die Aufmerksamkeit der Streifen zu erregen, führte er sie möglicherweise in den Tod. Bei Sonnenuntergang trieb der Durst Patrick aus seinem sicheren

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