Auf den Flügeln des Adlers
unter gebildeten, vernünftigen Männern – kaum möglich gewesen, wenn er nicht seine Zeit mit Reisen und Studien in fremden Ländern verbracht hätte.«
Patrick nickte höflich. Irgendwie hatten ihn seine frühen Jahre in einer Familie überzeugter irischer Katholiken nicht darauf vorbereitet, dass sich ein Protestant als Ire fühlte.
»Captain Duffy möchte gern mehr über die Geschichte unseres Landes erfahren, George«, erklärte Eamon fröhlich. »Wahrscheinlich, weil er hofft, so die Fitzgeralds und die Duffys besser zu verstehen.«
Patrick war aufgefallen, dass der Priester den alten Mann mit dem Vornamen ansprach. Er nahm zu Recht an, dass die beiden trotz ihrer unterschiedlichen Ansichten über Religion und die Zukunft Irlands eng befreundet waren.
»Dann ist er zur richtigen Zeit gekommen, Eamon«, erwiderte George. »Ich gebe morgen Abend ein Essen für ein paar Gäste, unter denen sich auch Professor Clark befinden wird. Ich habe mit ihm bezüglich unseres Hügels korrespondiert, und er meint, eine Grabung könnte sich durchaus lohnen.«
»Auf dem Herweg haben wir Catherine dort gesehen«, meinte Eamon beiläufig.
Für einen Augenblick glaubte Patrick, Missbilligung im Gesicht des alten Mannes zu entdecken. Doch abgesehen von einem Stirnrunzeln enthielt sich Fitzgerald jeden Kommentars. »Catherine kennt die Geschichte dieser Gegend vermutlich so gut wie ihr Großvater und ich«, setzte Eamon hinzu, als wollte er die Anwesenheit des Mädchens auf dem merkwürdigen kuppelförmigen Hügel verteidigen. »Sie spricht fließend Gälisch und ist sozusagen eine Expertin für alte Legenden, besonders wenn es um keltische Helden und die Gebräuche der Druiden geht.«
»Für diese Sprache vernachlässigt sie ihr Französisch«, schimpfte ihr Großvater, nachdem er den letzten Rest Whisky Soda hinuntergekippt hatte. »Ich fürchte, sie hat ein wenig frommes Interesse an den Mythen und studiert die alten Texte deswegen.«
Vater Eamon O’Brien musste seinem Freund Recht geben. Das heidnische alte Irland war wild, und dunkle sexuelle Unterströmungen waren allgegenwärtig gewesen. In seiner Kriegerkultur war dem Starken alles erlaubt, und er nahm sich, wonach ihn gelüstete.
Als hätte das Gespräch über die alten Götter sie aus den Nebeln der Mythologie heraufbeschworen, spürte Patrick plötzlich die Gegenwart einer weiteren Person im Raum.
Ein Lufthauch trug den durchdringenden Geruch von Hunden und den süßen Duft zerdrückter Blüten zu ihm. Auf bloßen Füßen hatte Catherine die Bibliothek betreten, so lautlos, dass die Männer gar nicht bemerkt hatten, wie die große Eichentür hinter ihnen aufschwang.
Die beiden Rüden waren eindrucksvolle Tiere. Sie hatten eine Schulterhöhe von über siebzig Zentimetern, und das lange, drahtige Fell ließ sie noch massiger wirken. Patrick hatte von den legendären irischen Wolfshunden gehört, die schon in den Hallen der Keltenkönige gelagert hatten. Er erinnerte sich, dass sie für die Jagd auf Wölfe und Rotwild eingesetzt wurden. Die beiden Exemplare, die Catherine begleiteten, waren selbst so groß wie Rehe.
Die zwei Riesen tapsten zum Kamin und ließen sich vor dem Feuer zu George Fitzgeralds Füßen nieder. »Catherine, wir haben einen Gast, den uns Vater O’Brien aus dem Dorf mitgebracht hat«, erklärte ihr Großvater. »Captain Patrick Duffy.«
Patrick erhob sich, um Catherine zu begrüßen. Der Schock traf ihn wie eine der schweren Bleikugeln aus einem Martini-Henry-Karabiner. Vor ihm in dem alten hölzernen Türrahmen stand die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Feuerrotes Haar, das durch keinerlei Kämme oder Bänder gehalten wurde, floss über ihre Schultern. Ihr milchweißer Teint war makellos, und ihre grünen Augen waren so klar, dass sie im Dämmerlicht der Bibliothek geradezu leuchteten. Sie trug eine bäuerliche Bluse, und ihr langer Rock schwang um ihre Knöchel, als sie durch den Raum ging. Patrick fühlte sich an eine Zigeunerin erinnert. Nur mit Mühe gelang es ihm, die Fassung zu bewahren. »Miss Fitzgerald, ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen«, stammelte er. Verärgert bemerkte er ein hochmütiges Funkeln in ihren Augen, als sie ihn belustigt ansah. Das verdammte Mädchen wusste, wie schön es war! Wie viele andere Männer hatte ihre Schönheit schon in ihren Bann gezogen?
Catherine erwiderte seinen verzückten Blick. »Ich habe Sie erwartet, Captain Duffy«, sagte sie leise und mit einem leichten Lächeln. »Vom
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