Auf den Flügeln des Adlers
Hügel aus habe ich Sie mit Vater O’Brien gesehen.«
»Ich habe Sie ebenfalls gesehen«, antwortete Patrick, der sich allmählich wieder fasste. »Dann waren Sie mit einem Schlag verschwunden.«
»Das ist eine Kunst, die ich besonders gut beherrsche«, meinte sie neckend. »Einfach zu verschwinden.«
Patrick wusste, dass er sich den Duft nach zerdrückten Blüten eingebildet haben musste, aber irgendwie hatte dieser Geruch Catherines Erscheinen in seinem Leben angekündigt.
Sein Leben1. Was für ein Leben? Seine Stimmung verdüsterte sich, als ihm einfiel, dass er binnen achtundvierzig Stunden das Dorf verlassen und in die Kaserne seines Regiments in London zurückkehren würde. Von dort würden er und seine Kameraden zum Kampfeinsatz nach Afrika gebracht werden. Er stand vor einer Reise in die Wüsten des Sudan, um dort gegen wilde Krieger zu kämpfen. Niemand wusste in einem solchen Krieg, ob er die nächste Schlacht überleben würde. Ohne zu verstehen, warum, war Patrick sich dennoch völlig sicher, dass er der Frau gegenüberstand, die er mehr als alles andere begehrte. »Nun, ich kann nur hoffen, dass Sie morgen Abend nicht auch verschwinden, Miss Fitzgerald«, sagte er. »Ihr Großvater hat mich freundlicherweise zum Essen eingeladen.«
»Captain Duffy muss unbedingt seine Galauniform tragen«, meinte Catherine, zu ihrem Großvater gewandt. »Sonst darf er nicht mit uns essen.«
Der alte Mann lächelte über ihren gebieterischen Ton. »Kaum jemand wagt es, meiner Enkelin den Gehorsam zu verweigern, Captain Duffy.« Er lachte leise. »Wenn Sie Ihre Galauniform bei sich haben, tragen Sie sie bitte morgen zum Essen, natürlich mit allen Auszeichnungen.«
»Er hat sie dabei«, verkündete Catherine. Sie hatte Freunde im Dorf, und das neugierige Zimmermädchen im Gasthaus hatte Patricks Garderobe überprüft. »Rote Jacke und Kilt.« Fragend hob Patrick die Augenbrauen, und die junge Frau erwiderte seinen Blick mit einer selbstzufriedenen Miene, die verriet, dass sie mehr über ihn wusste, als er ahnte.
»Ich werde mein rotes Kleid tragen«, erklärte Catherine. »Das passt gut zu Captain Duffys Uniform. Ich freue mich schon darauf, Sie hier zum Essen zu sehen, Captain.«
Patrick lächelte. Offenbar hatte er Catherines Zustimmung gefunden, und sie hielt mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg. »Dieses Gefühl beruht auf Gegenseitigkeit, Miss Fitzgerald. Ich interessiere mich ebenso für die irische Mythologie wie für die Geschichte Irlands. Vater O’Brien hat mir erzählt, dass Sie Expertin auf diesem Gebiet sind.«
»Die Mythologie beruht oft auf historischen Ereignissen«, sagte Catherine mit einem Seitenblick auf den Priester. »Bestimmt werden auch die Heldentaten Ihres Vaters in den letzten Jahren, von denen hier im Dorf immer wieder erzählt wird, eines Tages in unsere Mythologie eingehen.«
»Ich fürchte, die Dorfleute haben eine allzu lebhafte Fantasie, Miss Fitzgerald«, antwortete Patrick mit ruhiger Stimme. »Mein Vater ist in Neuseeland im Kampf gegen die Maori gefallen. Dieses traurige Ereignis fand schon vor meiner Geburt statt.«
»Sie müssen es ja wissen«, erwiderte sie mit einem leichten Stirnrunzeln. »Natürlich schneiden die Leute in den Pubs gern auf. Das gehört in diesem Teil der Welt zur Tradition. Trotzdem beruhen viele alte Mythen auf tatsächlichen Ereignissen, Captain Duffy.«
Auch Eamon hatte die Geschichten von dem großen Iren mit den vielen Namen gehört, jenem Mann, der in Neuseeland gegen die Maoris und davor im amerikanischen Bürgerkrieg gekämpft hatte. Später hatte er sich im Westen der USA mit den Indianern herumgeschlagen, bevor er in Mexiko Söldner wurde. Angeblich hatte der Ire nur ein Auge gehabt – das andere hatte er im Krieg verloren – und war über zwei Meter groß gewesen.
Ein irischer Goldsucher, der aus der australischen Kolonie Queensland ins Dorf Duffy zurückgekehrt war, schwor auf das Grab seiner Mutter, dass er Duffy in einem Ort namens Cooktown begegnet war – allerdings habe er sich Michael O’Flynn genannt. Das war nun zehn Jahre her.
»Schade, dass sich die Dorfleute irren«, seufzte Catherine. »Der Mann aus ihren Schilderungen hätte einen Platz im Pantheon der keltischen Götter unseres Landes verdient.«
»Wenn die Gerüchte wirklich auf Tatsachen beruhen würden, hätte ich bestimmt davon gehört, Miss Fitzgerald«, meinte Patrick mit einem grimmigen Lächeln.
»Nun, Captain Duffy, ich wünschte, sie wären wahr. Ich
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