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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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Verwandten zu bringen? »Captain Duffy hat Urlaub von seinem Regiment, das möglicherweise in Kürze aufbricht, um General Gordon bei Khartum abzulösen. Außerdem hat er bei Tel-el-Kibir unter Sir Garnet Wolseley gedient«, erklärte der junge Priester, um das Eis zwischen den beiden Männern in der alten Bibliothek zu brechen. Als er vom einen zum anderen sah, wurde ihm klar, dass sie einander ebenbürtig waren: Der Gutsherr des Dorfes hielt sich ebenso stolz und kerzengerade wie der arrogante junge Australier. Doch die Erwähnung von Patricks militärischen Einsätzen hatte die Feindseligkeit des alten Mannes gemildert.
    George Fitzgerald deutete auf die alten, abgenutzten Ledersessel seines Arbeitszimmers. »Mein einziger Sohn fiel als Captain in den Kaffernkriegen bei Isandhlwana, Captain Duffy«, erklärte er traurig.
    Er blieb mit dem Rücken zum Feuer stehen, äußerte sich aber nicht weiter zum Tod seines Sohnes. Patrick, der Verständnis dafür hatte, dass jemand nur ungern von solchen Erinnerungen sprach, warf einen flüchtigen Blick auf den Raum.
    Es war ein düsteres Zimmer, das mit in Leder gebundenen Büchern voll gestopft war. Ein einziges Lichtbündel erhellte das Halbdunkel und malte ein Quadrat auf den verblichenen Teppich in der Mitte. Bei dieser Beleuchtung war kaum zu erkennen, wovon die Bände handelten, die die verglasten, bis unter die Decke reichenden Bücherschränke füllten. In den Nischen der Möbel standen ausgestopfte Vögel, Eulen, Fasane und ein Adler, der die Schwingen erhoben und den Schnabel aufgerissen hatte, als wollte er sich verteidigen. An der Wand hing die sepiabraune Fotografie eines gut aussehenden jungen Mannes in der Galauniform eines britischen Infanterieregiments, der mit geheimnisvollem Lächeln jeden begrüßte, der den Raum betrat. Angesichts der unübersehbaren Ähnlichkeit nahm Patrick an, dass es sich um eine Daguerreotypie des Sohnes von Fitzgerald handelte.
    »Mein aufrichtiges Beileid, Mister Fitzgerald«, entgegnete Patrick mit aufrichtigem Mitgefühl. »Ich hätte Ihren Sohn gern kennen gelernt.«
    George Fitzgerald nickte steif, und Eamon merkte, dass seine eisige Feindseligkeit gegenüber dem Enkel des Mannes, den er vor langer Zeit zu töten geschworen hatte, allmählich dahinschmolz. Der alte Fitzgerald sah seinen entfernten Verwandten in einem neuen Licht und betrachtete ihn geradezu mit Respekt. »Trinken Sie auch am liebsten Whisky mit Soda, Captain Duffy?«, erkundigte er sich nun, während er durch den Raum zu einem offenen Rollschreibtisch ging, der mit Stapeln loser Blätter bedeckt war. »Wie Vater O’Brien, meine ich?«
    »Für mich bitte Whisky pur, Mister Fitzgerald«, gab Patrick zurück.
    George Fitzgerald schob die Papiere beiseite und holte eine kaum angebrochene Flasche mit bestem irischem Whisky hervor. Dann griff er nach der Sodaflasche, die oben auf einem Regal stand. In zwei Kristallgläser goss er mit Kohlensäure versetztes Wasser, ein drittes reichte er seinem nicht ganz unerwarteten Gast. Die Neuigkeit von Patrick Duffys Ankunft hatte sich im Dorf wie ein Lauffeuer verbreitet, und George war sofort klar gewesen, dass eine Begegnung zwischen ihnen unvermeidlich war.
    Welche Ironie, dass der junge Mann, der nun in seiner Bibliothek saß, denselben Namen trug wie der Mann, den er vor fast einem halben Jahrhundert zu töten geschworen hatte, weil er seine jüngere Schwester entführt hatte, die schöne, junge Tochter einer stolzen Familie, deren Herkunft auf die Anglonormannen zurückzuführen war, die im zwölften Jahrhundert unter dem englischen König Heinrich II. in Irland eingefallen waren.
    Fitzgerald nahm seinen Platz vor dem Kamin wieder ein und hob sein Glas. »Auf die Königin. Möge Gott sie segnen.«
    Patrick erwiderte den Toast. »Auf die Königin.«
    Ihm fiel auf, dass der Priester zwar sein Glas hob, aber nichts sagte. »Eamon trinkt im Stillen auf die Vertreibung der britischen Krone aus Irland.« Um Fitzgeralds Mundwinkel spielte die Andeutung eines Lächelns. »Wir haben oft über die Möglichkeit einer irischen Republik diskutiert. In vielen Punkten sind wir uns einig.«
    Die Einstellung des alten Mannes überraschte Patrick. Als hätte er seine verwirrten Gedanken gelesen, sagte Fitzgerald: »Ich bin Ire, Captain Duffy, und habe auf dieses Land ebenso viel Anspruch wie Vater O’Brien. Vielleicht mehr, denn er hat den Großteil seines Lebens in England gewohnt. Allerdings wären unsere Gespräche – Gespräche

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