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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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intimsten, beunruhigendsten Gedanken, von denen niemand sonst etwas ahnte?
    »Vater?« Michael hörte auf, an seiner Zigarre zu ziehen. »Erzähl mir von meiner Mutter. Glaubst du, sie hat mich wirklich weggegeben, wie Lady Enid behauptet?«
    Der große einäugige Ire fühlte einen seltsamen Frieden in sich. »Falls wir beide hier heil herauskommen, werde ich dir ausführlicher erzählen, wie sehr deine Mutter dich liebt. Vergiss das niemals, Sohn.« Er wandte sich ab, damit sein Sohn die Tränen nicht sah, die ihm in das gesunde Auge stiegen.
     
    Hinter dem Kamm des grasbewachsenen Hügels bereitete sich das Burenkommando auf die Nacht vor. Der Ire mit seinem merkwürdigen Gewehr mochte ein hervorragender Schütze sein, aber in der Dunkelheit sah auch er nichts. Lucas Bronkhorst hatte einen seiner Männer verloren, und diese Schuld konnte nur mit Blut beglichen werden.
    Der Beschuss von der Anhöhe hielt bis zum Abend an, und kostete Patricks Pferde das Leben. Nur Michaels Ochsen grasten noch im üppigen Grün.
    Am Horizont bildeten sich dicke Wolkentürme. Über dem afrikanischen Veld braute sich ein Sturm zusammen.

61
    Einen Toten zu exhumieren war keine angenehme Aufgabe. Der widerlich süße Fäulnisgeruch fing sich in dem Segeltuch, das der Sergeant als Sonnenschutz zwischen zwei Bäume gespannt hatte, und wurde so noch unerträglicher.
    Joe Heslops Leiche war aus seinem Grab auf dem winzigen Friedhof von Barcaldine geholt worden, und Sergeant Johnson wohnte als unabhängiger Zeuge der Autopsie bei, die Doktor Harry Blayney, ehemals Stabsarzt in der britischen Armee, schnell und fachmännisch durchführte.
    Gordon und die beiden eingeborenen Polizisten, die ihn begleitet hatten, beobachteten die schaurige Szene aus einiger Entfernung. Der Tote lag auf dem Rücken am Rand des geöffneten Grabes. Seitlich daneben stand der Totengräber, der dem Doktor neugierig bei der Autopsie zusah.
    Der Arzt, der sich ein in billiges Parfüm getauchtes Tuch vor das Gesicht gebunden hatte, stocherte mit einer Zange in der Leiche herum, bis er die Kugel fand. Er ließ das ungereinigte Bleiprojektil in eine leere Tabakdose fallen. Dann übergab er diese Sergeant Johnson, der pflichtgemäß notierte, dass er die Kugel aus dem Körper von Joe Heslop erhalten hatte. Obwohl sie auf Anhieb als Kaliber 577 zu erkennen war, untersuchte Doktor Blayney die inneren Organe des Toten gründlich auf eine eventuelle andere Todesursache.
    Für den jungen Inspektor war die Bleikugel kostbarer als ein Goldnugget. Sie bestätigte seine Version vom Mord an dem Verbrecher.
    Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass eine andere Todesursache ausgeschlossen war, erhob sich der Doktor, der neben der Leiche gekniet hatte, und gab die Erlaubnis, den Toten wieder zu begraben. Ohne viel Federlesens stieß der Totengräber die Überreste mit der Schaufel in die Erde zurück. Den billigen Holzsarg würde er den Freunden eines Viehhirten verkaufen, der nach einer ausgedehnten Sauftour in der Stadt Selbstmord begangen hatte. Schließlich war er nur einmal benutzt worden.
    Der Doktor, Gordon James und Sergeant Johnson suchten ein Gasthaus auf, um die Entdeckung des entscheidenden Beweisstücks zu feiern. Unterdessen würde Sergeant Johnson mit der Tabaksdose, in der sich die Kugel befand, nach Rockhampton reiten und so sicherstellen, dass das Beweisstück direkt von der Leiche in die Hände des Coroners gelangte, der die Untersuchung leitete.
    Am nächsten Tag verließ Gordon gemeinsam mit dem Arzt und den beiden Polizisten, die ihn begleiteten, die Stadt. Zwei Tage später ließ er die drei in der Nähe von Balaclava Station in dem Lager zurück, das sie für die Nacht aufgeschlagen hatten. Seine Seele litt unter einem Schmerz, den nur die Vergebung der Frau, die er über alles liebte, lindern konnte.
     
    Obwohl die Pisten, die von Rockhampton nach Westen ins Innere der Kolonie Queensland führten, deutlicher markiert waren als in den Tagen der Pioniere, die das Gebiet als Weideland erschlossen hatten, war die Reise nicht weniger mühsam als damals. Viele Male bedauerte der Städter Granville White seinen Entschluss, die Stätte seiner Albträume aufzusuchen. Immer wieder war er auf der zweiwöchigen Reise nach Glen View, die er in Gesellschaft des Agenten angetreten hatte, versucht gewesen umzukehren.
    Einen Tag nach seiner Ankunft auf Glen View stand Granville mit seiner Kutsche auf dem Hof vor dem Herrenhaus. »Ich denke, Sie sollten Ihre Fahrt zu den

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