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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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Zerstörungskraft, wie sie das Land lange nicht erlebt hatte.
     
    Der eingeborene Viehhirte hatte Mister White nicht zu den Hügeln bringen wollen. Wie alle Arbeiter auf Glen View hielt er sich von dem kleinen Massiv aus uraltem Vulkangestein fern. Weiße und Aborigines waren gleichermaßen davon überzeugt, dass es in der Gegend spukte. Die Geister der Hügel, die in Felsen, Bäumen und Wasserlöchern des Gebiets lebten, bestraften jeden, der dumm genug war, sie herauszufordern. Häufig wurden Rinder, die sich dorthin verirrt hatten, ohne erkennbaren Grund tot aufgefunden. Es war ein Ort, den man unter allen Umständen meiden musste.
    Aber wenn der Boss ihm befahl, den Besitzer der Farm dorthin zu bringen, dann gehorchte er, auch wenn der Platz baal war. Nach zwei Stunden hatten sie den Fuß der Hügel erreicht. Der Viehhirte blieb neben dem Einspänner stehen, während Granville White in einiger Entfernung davon auf den höchsten Gipfel der Bergreihe blickte. »Ist die Höhle dort oben?«, rief er dem Eingeborenen zu.
    »Ja, Boss.«
    »Und wo hat die Vertreibung der Schwarzen stattgefunden, die früher hier gelebt haben?«, fragte Granville White, während er zur Kutsche zurückging.
    »Weiß nicht, Boss«, log der Viehhirte, der fürchtete, der Weiße wollte sich von ihm zum Ort des Massakers führen lassen. Vorsichtshalber hatte er dafür gesorgt, dass sie sich dem Massiv von der anderen Seite her näherten. Die von Geistern heimgesuchten Wasserlöcher lagen jenseits des Hügels.
    Dem Eingeborenen war nicht klar, wieso Granville so triumphierend grinste. Er hatte die Quelle seiner Albträume aufgesucht und nur einen Haufen zerklüfteter Hügel voller Gestrüpp gefunden. Endlich hatte er die Geister der Vergangenheit vertrieben. »Wir können zum Haus zurückfahren«, sagte er zu dem Hirten, der erleichtert seufzte und auf den Kutschbock sprang. Je eher sie diesen Ort hinter sich ließen, desto besser. Außerdem grollte das Gewitter so unheimlich über der Ebene, dass den Eingeborenen eine Gänsehaut überlief.
    Die Fahrt zurück zum Herrenhaus ging viel schneller als die Hinfahrt, und mehr als einmal musste Granville den Aborigine schelten, weil er das Pferd so rücksichtslos durch den Busch jagte.
     
    Wallarie wusste nicht genau, wo er war, aber wenn er in Richtung der untergehenden Sonne marschierte, musste er irgendwann die Missionsstation erreichen. Dort war er in Sicherheit. Dem weißen Ehepaar, dem er vor Jahren das Leben gerettet hatte, konnte er vertrauen.
    Hinter ihm lag der Ort, den die Weißen Glen View nannten, wo der Geist von Peter Duffy umging, und im Westen hatten sich Wolkentürme gebildet, die nun nach Osten rasten. Grinsend rasselte Wallarie mit seinen Speeren. Die Geister seiner Ahnen hatten den Sturm nach Glen View gerufen, damit er in seinem Zorn alle vernichtete, die den Tod verdienten.
    Eine Windböe wirbelte die rote Erde um ihn herum auf, und er fühlte sich an getrocknetes Blut erinnert. Die Geister seiner Vorfahren waren bei ihm. Er konnte ihre Stimmen in dem unheimlichen Kreischen und Flüstern des gewaltigen Unwetters hören, das sich mit Blitz und Donner über dem Land entlud.
    Plötzlich bekam er Lust, den Corroboree zu tanzen, den sein weißer Bruder Tom Duffy als irischen Jig bezeichnet hatte. Als er es tat, glaubte er für einen Augenblick, Tom mit den Geistern seiner Ahnen lachen zu hören.

62
    Das sporadische Feuer der Scharfschützen hielt Michael und Patrick während der restlichen Stunden des Tages unter dem Planwagen fest. Es wurde früh dunkel, weil graue Regenwolken den Himmel verdüsterten. Doch der wilde Sturm, der sich zusammenbrauen zu schien, löste sich zu ihrer Überraschung in einem stetigen Nieselregen auf. Er brachte eine feuchte Kälte mit sich, die den Männern unter dem Wagen in die Knochen kroch.
    Wasser tropfte durch die Spalten zwischen den Bodenbrettern. Schließlich wurden sie völlig durchnässt, weil Windböen den Regen seitlich vor sich hertrieben. Ihr einziger Trost war, dass es ihren Feinden bei diesem Wetter nicht besser ging als ihnen.
    Die gelegentlich in ihre Richtung abgegebenen Schüsse erinnerten sie daran, dass das Burenkommando nicht aufgegeben hatte. Immerhin waren die Gegner so weit entfernt, dass sie im Schutz des Wagens vor den Kugeln sicher waren.
    Michael nutzte die Zeit, um mit seinem Sohn zu sprechen. Er erzählte ihm viel über sein Leben, auch über seine Arbeit für Horace Brown, den Agenten des britischen Außenministeriums.

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