Auf den Flügeln des Adlers
kleinen Jungen ihr beschränktes Gehirn mit romantischen Ideen aus irgendwelchen Büchern voll stopfen. Was das angeht, war Catherine kein Kind mehr. Vielleicht war sie jung genug, um meine Tochter zu sein, was du bestimmt als Nächstes erwähnt hättest, aber wenn es darum ging, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, war sie ganz Frau. Das kannst du mir glauben, Sohn.«
»Du Mistkerl!«, zischte Patrick und erhob sich. Michael nahm eine abwehrende Haltung ein.
»Hab mir doch gedacht, das dir früher oder später ein Name für mich einfällt! Mir war klar, dass du mich nicht ›Vater‹ nennen würdest«, meinte er mit einem kalten Lächeln. Patrick baute sich direkt vor ihm auf, und die beiden Männer beäugten sich wie ein Paar Kampfhunde. »Du kannst versuchen, mich zu schlagen«, stellte Michael in aller Ruhe fest, »aber ich verspreche dir, ich schlage sofort zurück.« Plötzlich wurde Patrick klar, dass er die Fäuste geballt hatte und sie fast erhoben hätte. »Ich hab gehört, du bist ein Meister im Ring. Der alte Max war ein guter Lehrer«, setzte Michael hinzu, »aber vergiss nicht, dass er mich auch unterrichtet hat.«
Patrick ließ die Fäuste sinken und wandte sich ab, um sich wieder auf den Boden zu setzen, den Rücken an das Wagenrad gelehnt. »So habe ich mir das nicht vorgestellt«, sagte er traurig. »Fast hätten wir uns geprügelt.« Er gab ein kurzes, bitteres Lachen von sich. »Da sitzen wir nun – Endlich sind wir uns begegnet. Ich habe mir das Gehirn zermartert, was ich zu dir sagen soll. Im Augenblick stecken wir gewaltig in der Tinte, und mich interessiert nur, ob du ein Verhältnis mit Miss Fitzgerald gehabt hast. Das ist wohl mein Stolz.«
»Da ist nichts Schlechtes dran, mein Sohn«, sagte Michael sanft. »Ich habe von eurer Beziehung erst in Griechenland erfahren.«
Patrick sah zu seinem Vater auf. »Hast du dich deswegen von ihr getrennt? Meinetwegen?«
Sein Vater lächelte geheimnisvoll. »Möglicherweise.«
Diese schlichte Antwort, dieses Lächeln ließen Michael in einem neuen Licht erscheinen. Vielleicht, dachte Patrick, war er doch nicht der Lump, für den er ihn gehalten hatte.
»Auf jeden Fall …« Michael brach abrupt ab, als ihm Holzsplitter vom Wagen ins Gesicht flogen. Er warf sich auf den Boden und griff dabei nach dem Gewehr, das er an das Wagenrad gelehnt hatte. Das hohle, rollende Echo eines Schusses hallte durch die Luft.
Patrick kroch hastig unter dem Planwagen in Deckung. Die Kugel des Scharfschützen war ein solcher Schock für ihn gewesen, dass sein Herz wie wild hämmerte. »Wo ist die denn hergekommen?«, zischte er seinem Vater zu.
»Von der Anhöhe.« Michael hob den Kopf, um den Horizont abzusuchen. Ein leichtes Rauchwölkchen markierte den Standort des Schützen. »Etwa fünfhundert Meter von hier. Verdammt guter Schuss auf diese Entfernung«, setzte er voller Bewunderung für den unsichtbaren Gegner hinzu.
»Glaubst du, die wollen uns von ihren Scharfschützen erledigen lassen?«, fragte Patrick.
»Nein, die Entfernung ist zu groß. Die werden uns bis Sonnenuntergang immer wieder beschießen, um uns hier festzuhalten.«
»Was sollen wir deiner Ansicht nach tun?«
»Bis zum Einbruch der Dunkelheit warten«, erwiderte Michael, während er sich auf den Rücken rollte, um nach der Zigarre zu suchen, die er hatte fallen lassen. »Dann haut einer von uns ab, während der andere so tut, als wären wir beide noch hier. Ein Trick, den dein Onkel Tom vor einigen Jährchen in Queensland benutzt hat, als ihn die Greifer eingeschlossen hatten. Er und sein schwarzer Freund Wallarie saßen damals in den Hügeln im Land am Golf in der Falle. Bei Tom hat es geklappt. Allerdings nur, bis sie ihn erschossen haben.«
»Ich bleibe«, erbot sich Patrick freiwillig. »Du kennst das Land besser als ich.«
»Schon, aber ich glaube, du bist noch nicht am Ziel deiner Suche«, erwiderte sein Vater sanft. »Also verschwindest du am besten, während ich sie aufhalte. Ich bin nicht zum ersten Mal in einer solchen Situation. Man könnte sagen, ich habe viel mehr Erfahrung damit als du.«
»Wenn du meine Suche nach Catherine meinst«, wandte Patrick ein, »dann täuschst du dich. Ich habe alles herausgefunden, was ich wissen muss.«
Michael paffte an seinem Zigarrenstummel. »Nein, ich meine die Suche nach dir selbst. Die dauert ein Leben lang. Glaub mir, ich kenne mich da aus.«
In den Worten seines Vaters lag eine merkwürdige Wärme. Woher kannte dieser Mann seine
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