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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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Bergen verschieben, Mister White«, riet der Verwalter. »Sieht so aus, als würde sich über der Ebene heute Nachmittag ein Sturm zusammenbrauen. Das gefällt mir gar nicht, es ist nicht die richtige Jahreszeit für Stürme.«
    Aber Granville hatte die weite Reise nicht auf sich genommen, um nun den letzten Abschnitt vor sich herzuschieben. »Ich muss spätestens morgen nach Rockhampton aufbrechen, Mister Cameron«, erwiderte er vom Bock seines Einspänners herab. Neben ihm saß der eingeborene Viehhirte, den Cameron abgestellt hatte, damit er Granville zu den heiligen Hügeln der Nerambura führte. »Außerdem haben Sie doch gesagt, es sei nur ein paar Stunden von hier.«
    Cameron zuckte die Achseln. Es war nicht seine Aufgabe, dem Besitzer des Anwesens zu erklären, was er tun durfte und was nicht.
    Mary Cameron hatte ihren Mann während des Gesprächs mit Granville White beobachtet. Als sie sich nun umwandte, merkte sie, dass Matilda mit ihrer Tochter auf dem Arm schüchtern in der Tür stand und die beiden ebenfalls nicht aus den Augen ließ. Mary fiel Matildas finsteres Gesicht auf. »Was ist denn mit dir los, Mädchen?«, fragte sie gereizt.
    Matilda blickte sie an. »Nichts, Missus«, murmelte sie.
    Mary bedauerte, dass sie Matilda angefahren hatte, aber sie war wütend, weil Granville White ihren Ehemann als Verwalter entlassen hatte. Der Städter hatte ihn wissen lassen, dass er sich woanders nach Arbeit umsehen müsse. Die Farm sollte in Kürze verkauft werden, und die neuen Besitzer brachten ihren eigenen Verwalter mit. Sie warf dem unwillkommenen Gast ebenfalls einen finsteren Blick zu und rauschte dann an dem Mädchen vorbei. »Ich weiß, Matilda, der Mann ist baal .«
    »Ja, Mister White ist wirklich baal «, erwiderte Matilda, während sie Mary in das Zimmer folgte, in dem deren Sohn in seiner Wiege lag. »Vertreibt Sie und Mister Cameron aus Glen View.«
    »Leider, Matilda«, sagte Mary. »Wahrscheinlich noch diesen Monat.«
    Sie hob ihr Kind aus der Wiege und gab ihn Matilda zum Stillen in den Arm. Diese öffnete die Knöpfe ihres Baumwollkleids und legte das hungrige Baby an die geschwollene Brustwarze.
    Müde setzte Mary sich auf einen Stuhl, während das Mädchen ihrem Kind die Brust gab, und dachte über die auf exotische Weise schöne, junge Frau nach, die vor Peter Duffys Tod für kurze Zeit seine Geliebte gewesen war. Matilda entsprach Inspektor James’ Beschreibung in jeder Hinsicht. Sie war hochintelligent, gab sich große Mühe, und seit der Geburt der beiden Babys war sie auch die Amme von Marys Kind. In der Zeit ihres Zusammenlebens waren sich die beiden Frauen nahe gekommen. Sie hatten sich gegenseitig bei der Entbindung geholfen, und das war ein starkes Band zwischen ihnen.
    »Warum will Mister White zu den Hügeln, Missus?«, fragte Matilda. »Dieser Ort ist baal .«
    »Ich weiß nicht genau, warum«, erwiderte Mary seufzend. Das Wetter war so drückend, dass ihr unter ihren schweren Kleidern der Schweiß über den Körper lief. Sie beneidete Matilda, die nur ein sauberes Baumwollkleid trug. Aber für sie als Weiße ziemte sich das nicht, während das Eingeborenenmädchen nur darauf achten musste, ihre weiblichen Reize ausreichend vor den Augen der männlichen Farmarbeiter zu verbergen. »Vermutlich will er den Ort persönlich sehen«, meinte Mary nach einiger Überlegung. »Es hat was mit der Familie seiner Frau zu tun.«
    »Da draußen sind nur böse Geister.« Matilda stöhnte auf, als das Baby mit seinen zahnlosen Kiefern zubiss. »Die heiligen Hügel gehören den baal Nerambura-Geistern.«
    »Dein Sohn hat doch auch Nerambura-Blut«, erinnerte Mary ihre Amme. »Wie kannst du da so was sagen?«
    »Die Geister sind baal , Missus«, wiederholte Matilda hartnäckig. »Mister White macht die Hügelgeister wütend, wenn er dort hingeht. Der Sturmgeist wird zornig werden.«
    »Nein, Matilda, das ist ein ganz gewöhnlicher Sturm, nicht mehr«, sagte Mary mit einem schwachen, erschöpften Lächeln. »Und wage es bloß nicht, meinen Sohn mit Legenden über böse Geister zu erschrecken, wenn er älter wird«, schalt sie sanft.
    »Das sind keine Legenden«, erklärte Matilda unbeeindruckt. »Es ist alles wahr.«
    Am blauen Himmel über der ausgedörrten Ebene türmten sich die Gewitterwolken zu riesigen Gebilden auf. Mit großen, verschreckten Augen starrten die Tiere des Brigalow-Buschlands auf den Horizont. Angstvolles Schweigen senkte sich über alles Leben. Dieser Sturm barg eine

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