Auf den Flügeln des Adlers
besorgt im Nebenzimmer warteten. Beide blickten ihm hoffnungsvoll entgegen. Doch er runzelte die Stirn und schüttelte als Antwort auf ihre unausgesprochene Frage den Kopf. »Ich fürchte, wir können nur abwarten«, sagte er, während er mit einem Seufzer das Glas Branntwein nahm, das ihm der Verwalter reichte. »Ich halte nicht viel von diesem Eingeborenenzeug, an das Sie anscheinend glauben, meine Herren. Aber wenn Ihnen irgendein Mittel einfällt, dann würde ich vorschlagen, dass Sie es ausprobieren, und sei es nur, weil ich mit meinem Latein am Ende bin.«
Gordon entschuldigte sich und stürmte an dem Arzt vorbei in Sarahs Zimmer.
Er kniete sich neben ihr Bett und streichelte ihr Gesicht, doch sie schien ihn nicht zu bemerken, sondern starrte nur mit leerem Blick an die dunkle Decke. Endlose Minuten lang liebkoste Gordon ihr Gesicht und hielt ihre Hand. Dann stand er auf, verließ wortlos das Haus und ging zu seinem Pferd, das noch gesattelt draußen stand. Kurz darauf hörten die Rankins und Blayney, wie er davongaloppierte.
64
Die Sonne verbarg sich hinter einem blauschwarzen Horizont, an dem drohende Wolken brodelten. Wilde Blitze zuckten über den Abendhimmel, und der Donner grollte Unheil verkündend, als Gordon abstieg und sein Pferd festband. Über ihm erhob sich der Berg, in dessen Höhle er letztes Jahr Peter gefunden hatte. Als er zum Gipfel aufblickte, über dem der Himmel ein dunkles Lila angenommen hatte, fühlte er sich so allein wie noch nie in seinem Leben.
Er wusste nicht, was von ihm verlangt wurde, aber ihm war klar, dass er sich der unsichtbaren, unerklärlichen Macht stellen musste, die im Herzen der heiligen Höhle der Nerambura hauste, wenn er Sarah retten wollte. Nicht dass er besonders gläubig gewesen wäre, aber er erkannte ihren Einfluss auf sein Leben und auf das der anderen an.
Noch während er nach oben blickte, hörte er, wie das Buschwerk sanft im Wind raschelte. Dann verwandelte sich das Geräusch in ein leises Stöhnen, und der Sturm fegte heran, der die heraufziehende Gewitterfront ankündigte.
Dicke Regentropfen fielen vom Himmel, die vom ausgedörrten, heißen Boden sofort aufgesaugt wurden. Der angenehme Geruch nasser Erde stieg ihm in die Nase, als der Sturm den Brigalow-Busch erreichte und mit faustgroßen Hagelkörnern über das Land herfiel.
Gordon warf die Arme hoch, um sich vor den Eisbrocken zu schützen, die ihm ins Gesicht schlugen. Sein Pferd stieg in Panik und riss sich von dem Busch los, an dem er es festgebunden hatte. In wildem Galopp versuchte es vergeblich, den niederprasselnden Hagelkörnern zu entgehen.
Jetzt war Gordon vollkommen allein. Dem Sturm zu Fuß und unter freiem Himmel ausgesetzt, beschloss er instinktiv, sich in den Schutz der Höhle über ihm zu flüchten. Mit gesenktem Kopf rannte er zum Fuß des Hügels, um den Pfad zu suchen, der zur Höhle führte.
Willie Harris hockte in der Höhle am Feuer, das er dort angezündet hatte, und horchte eingeschüchtert auf das Brüllen des Sturms, das immer wieder von gewaltigen weißblauen Blitzen durchbrochen wurde, denen unmittelbar ein ohrenbetäubender Donner folgte. Ein merkwürdiger Geruch erfüllte die Luft um ihn herum, und im Licht der Blitze erwachten die gemalten Nerambura-Gestalten an der Rückwand der Höhle als grelle, furchteinflößende Gespenster zum Leben.
Willie wandte den Blick ab. Einen Sturm von solcher Heftigkeit hatte er noch nie erlebt, und er war froh, dass er sich entschieden hatte, noch einen Tag zu warten, bevor er nach Süden aufbrach. Zwar schwanden seine Vorräte dahin, und die Jagd auf Wallaby und Känguru wurde immer unergiebiger, aber noch war er einigermaßen bei Kräften. Wenn er länger blieb, würde er irgendwann ein Gehöft überfallen müssen, um an Geld und Proviant zu kommen – es sei denn, er stellte sich der Polizei.
Er wollte weder das Eine noch das Andere. Stattdessen würde er nach Süden reiten, in der Hoffnung, mehr Wild zu finden, von dem er sich ernähren konnte, bis er Sydney erreichte. Dort würde er seinen Vater, Granville White, suchen.
In der Hocke beobachtete er mit hungrigen Blicken, wie der knochige Ameisenbär in den Flammen brutzelte. Als er in der Glut stocherte, um den winzige Kadaver zu wenden, glaubte er für einen Augenblick, den Schmerzensschrei eines Menschen zu hören, der unmittelbar auf einen gewaltigen Blitzschlag ganz in der Nähe folgte.
Willie spürte ein nervöses Kribbeln und griff vorsichtig nach seinem
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