Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
Vom Netzwerk:
Snider-Gewehr, das er gegen den Sattel gelehnt hatte. Einen flüchtigen Augenblick lang fragte er sich, wie es wohl seinem Pferd ging, für das er am Fuß des Hügels aus Baum-Stämmen eine Koppel errichtet hatte. Die Stute war bestimmt außer sich vor Angst.
    Das Gewehr im Anschlag duckte er sich und lauschte angespannt. Hatte er den menschenähnlichen Schrei wirklich gehört? Oder war er nur ein Produkt seiner überreizten Fantasie? Ertrug er die unheimliche Atmosphäre in der Höhle nicht, die durch das Unwetter noch entsetzlicher wirkte? Doch die Worte, die nun ein qualvolles Stöhnen vor der Höhle begleiteten, stammten eindeutig aus dem Mund eines Menschen – eines Europäers.
    Willie nahm ein brennendes Holzscheit aus dem Feuer und stand auf. Vorsichtig ging er zum Haupteingang der Höhle und streckte den Kopf heraus. Der heulende Sturm blies seine Fackel aus, aber die brauchte er auch nicht, um die Gestalt zu sehen, die auf dem Weg zur Höhle lag. Gewaltige Blitze tauchten die Landschaft in ein grelles, elektrisches Licht.
    Gordon hatte das Licht der brennenden Fackel gesehen, bevor der Sturm die Flamme ausblies. »Gott helfe mir!«, drang seine Stimme durch den prasselnden Regen. »Hilfe!«
    Da erschien neben ihm eine Gestalt. »Mister James, sind Sie das?«, fragte jemand.
    »Willie!« Gordon rang überrascht nach Luft, als er die Stimme des jungen Mannes in der Dunkelheit erkannte. »Ich glaube, der Blitz hat mich erwischt. Ich kann nicht aufstehen … Mein Bein.«
    Willie legte sein Gewehr auf den nassen Boden, ergriff Gordon unter den Schultern und schleppte ihn mit letzter Kraft in den Schutz der Höhle.
    Stöhnend blieb Gordon auf dem Rücken liegen. Der Schmerz schien seinen ganzen Körper im Griff zu halten. Dann hörte er Willie nach Atem ringen und wusste, dass etwas Entsetzliches passiert war. Der junge Mann schüttelte bedächtig den Kopf. »Der Blitz hat Sie unter dem Knie ins Bein getroffen, Mister James. Ihr Fuß ist weg. Einfach abgerissen.«
    Doch Gordon hörte die Worte nur noch aus weiter Ferne. Er stürzte in einen tiefen Strudel, in dem Geister aus anderen Zeiten und von anderen Orten seines Lebens hausten.
    Willie war froh, dass Gordon James das Bewusstsein verloren hatte. So empfand er zumindest keine Schmerzen. Der Blitz hatte den Stumpf, wo eigentlich der Fuß hätte sitzen sollen, ausgebrannt, doch das restliche Bein unterhalb des Knies sah schlimm aus. Willie wusste, dass der Polizeiinspektor dringend einen Arzt benötigte.
    Verzweifelt stöhnte er auf, als ihm klar wurde, dass ihm keine Wahl blieb. Er würde sein Pferd satteln und nach Glen View Station reiten müssen. Das hieß, dass er sich nicht nur dem entsetzlichen Unwetter aussetzen musste, das draußen tobte, sondern auch riskierte, erkannt und verhaftet zu werden. Warum musste der verdammte Inspektor ein Freund der Familie sein? Was wollte er überhaupt auf dem Berg?
    Er legte Holz nach, bevor er Gordon allein in der Höhle zurückließ. Dann kämpfte er sich mit dem Sattel auf der Schulter durch den Sturm, um sein Pferd zu holen, und verfluchte dabei Gordon James, der zur falschen Zeit am falschen Ort aufgetaucht war.
     
    Allein in der Höhle, begegnete Gordon Peter Duffy. In der unbewussten Welt der Sterbenden und Toten trafen sie aufeinander, um ihren Kampf um Sarahs Seele auszufechten. Aus diesem Grund hatte Gordon die Höhle ein weiteres Mal aufsuchen müssen.

65
    Am Himmel tobte das Gewitter mit Sturm, Donner und Blitz, und der Regen prasselte mit beständigem Getöse auf das Wellblechdach herab. Doch für jene, die wussten, welche Saat unter dem Staub verborgen lag, barg das raue Land in diesem Augenblick die Verheißung der Schönheit. Nach dem entsetzlichen Unwetter würde die Ebene explosionsartig zu neuem Leben erwachen.
     
    »Sie haben Glück gehabt, dass Sie das Haus noch vor diesem entsetzlichen Sturm erreicht haben«, sagte Mary Cameron laut, während sie in ihrem Fleisch herumstocherte.
    Obwohl Matilda für Granvilles letzten Abend auf Glen View einen köstlichen Rinderbraten zubereitet hatte, hatte Mary keinen Appetit. Der Gedanke, dass sie den Mann bewirten musste, der so herzlos beschlossen hatte, die Farm zu verkaufen, ohne auch nur einen einzigen Gedanken an die Zukunft ihres Ehemanns zu verschwenden, verleidete ihr das Mahl. Mister White hatte Duncan exzellente Zeugnisse für seine Tätigkeit als Verwalter des Macintosh-Besitzes versprochen, doch das war nicht genug. Glen View war für Mary zur

Weitere Kostenlose Bücher