Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
Vom Netzwerk:
Willie die Lampe auf den Holzstapel schleuderte, wo sie klirrend zerbrach.
    Das trockene Holz knackte, als das brennende Öl seine flammenden Finger ausstreckte und mit blinder Gier den Holzstapel verzehrte. Immer weiter kroch der Feuerring nach außen, bis er die dünnen Stämme der schweigenden Bäume in der Umgebung erhellte, immer heller brannte das Feuer, und schließlich mischte sich der dichte Rauch mit dem süßlichen Duft des Buschs.
    »Verreck, du elendes Vieh!«, heulte Willie in seinem Zorn, der tödlich war wie das Gift der gefangenen Taipan-Schlange. »In der Hölle sollst du brennen!« Doch der Fluch galt nicht nur dem Reptil, das ihm das kostbare Leben seiner Mutter geraubt hatte. Denn während die Flammen die knorrigen Holzscheite verzehrten, waren seine Gedanken bei einem Mann, den er noch nie gesehen hatte. Er wusste, dass sie sich eines Tages begegnen würden. Und wenn die Zeit gekommen war, würde der noble Mister Granville White das Schicksal des Tieres teilen, das sich jetzt im Herzen des Feuers vor Qualen wand.
    Jonathan beobachtete, wie sich der Holzstoß in einen Scheiterhaufen für die Schlange verwandelte. Dann stürzte das Inferno in sich zusammen und sandte wie bei einem Feuerwerk Kaskaden rot glühender Asche gen Himmel. Er hörte Willie obszöne Flüche in die Nacht hinausschreien und wie ein verwundetes Tier heulen.
    Dann war Willie plötzlich verschwunden. Von den Tiefen des weiten Buschlands verschlungen, lief er blind vor Tränen vor sich hin und schluchzte den Schmerz in seinem Körper und seiner Seele hinaus.
     
    Während sich die Sonne wie ein orangefarbener Ball im Osten über den verkrüppelten Bäumen des flachen Buschlands erhob, kehrte Willie zurück.
    Als er über den Hof auf die Hütte zutaumelte, lief Rebecca zu ihm und umklammerte seine Beine. Er war immer ihr Lieblingsbruder gewesen, weil er sanft mit ihr umging und sie nicht hänselte wie Jonathan und Saul. Sie hielt ihn fest, wie man sich in schwerer See an ein Floss klammerte, doch sie spürte, dass ihr geliebter Willie nicht mehr der Mensch war, der er bis gestern gewesen war.
    Wie ein hageres Gespenst stand Ben im Schatten des winzigen schrägen Verandadachs, das die Vorderseite der Hütte vor der Sonne schützte. Er hatte beobachtet, wie seine Tochter Willie über den staubigen Hof entgegenlief und ihn zärtlich begrüßte, hatte gesehen, wie sich der junge Mann bückte, um den gelben Lockenkopf zu streicheln, der ihm nur bis zur Taille reichte.
    »Becky! Geh und setz den Kessel auf«, befahl Ben dem kleinen Mädchen. »Jonathan, Saul«, rief er dann in die Hütte hinein. »Ihr holt Feuerholz und dann helft ihr eurer Schwester.«
    Eifrig gehorchten die Kinder den Befehlen ihres Vaters, denn es waren die ersten Worte, die er seit Stunden gesprochen hatte. In einer Welt, die plötzlich stillzustehen schien, waren sie für jede Weisung dankbar. Trotz seines entsetzlichen Kummers war Ben immer noch der Vater, der sie sanft, aber bestimmt lenkte.
    Für Rebecca kam die Traurigkeit nicht überraschend. Sie wusste, dass Tränen zum Leben gehörten, denn nur sie hatte ihre Mutter immer wieder weinen sehen, wenn die Männer bei der Arbeit waren. Ihre Mutter hatte über ihr einsames Leben geweint, aus Gründen, die Rebecca nicht kannte, und sie auf ihrem Schoß fest gehalten, als hätte sie Angst, ein Ungeheuer könnte ihr des Nachts die einzige Tochter entreißen. Manchmal hatte sie auch Tränen des Glücks geweint, wenn Rebeccas Vater verlegen mit einem Strauß Wildblumen in der Hütte stand.
    »Willie«, sagte Ben sanft, »wir beide werden einen Sarg für deine Mutter zimmern. Einen guten Sarg.«
    Willie nickte. Ja, einen guten Sarg für Mutter, dachte er, in dem sie unter der trockenen roten Erde dieses öden Landes schlafen konnte. »Wir begraben sie heute Vormittag neben dem Baum, den sie letztes Jahr gepflanzt hat«, fuhr Ben fort. »Da drüben.« Er zeigte auf ein einsames Bäumchen, das darum kämpfte, sich gegen die zähen Sträucher durchzusetzen.
    Es war ein Pfefferbaum. Jenny hatte die Samen geschenkt bekommen, bevor sie und Ben Townsville verließen und ihre Farm in Besitz nahmen. Liebevoll hatte sie Keimlinge gezogen, doch trotz aller Pflege hatte nur ein einziger überlebt, bis sie ihn einpflanzen konnte. Das kümmerliche Bäumchen hatte ihr am Herzen gelegen, denn eines Tages würde der ausgewachsene Baum sein Schatten spendendes Dach ausbreiten und Mensch und Tier Zuflucht vor der glühenden Sommersonne

Weitere Kostenlose Bücher