Auf den Flügeln des Adlers
Industrieimperiums lag, sprach für sich. »Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, alter Junge«, sagte Brett, ohne die Hand auszustrecken. Allerdings hielt Patrick selbst seine Zigarre in der einen und das Portweinglas in der anderen Hand. »Catherine hat mir beim Essen viel von Ihnen erzählt. Sie scheinen ja ein richtiger Held zu sein, und ein paar Orden haben Sie auch umhängen. Wofür sind die denn?«
Patrick wünschte sich, seinen Rivalen um Catherines Aufmerksamkeit in der Wüste von Tel-el-Kibir vor sich zu haben. Wenn der Mistkerl doch nur die weiße Uniform und den roten Fez eines nubischen Schützen tragen würde, dann hätte er ihn guten Gewissens mit seinem Bajonett aufspießen können! »Zum Beispiel für meinen Einsatz bei Tel-el-Kibir im Jahre achtzehnhundertzweiundachtzig«, knurrte er stattdessen. »Im Dienst des Empires, alter Junge.«
»Da war ordentlich was los, hab ich gehört«, erwiderte Norris. »Haben Sie selbst eine Menge Neger erledigt?«
Patrick fiel auf, dass der junge Mann den affektierten Akzent der adligen Gecken Londons angenommen hatte. Von der Herkunft seines Vaters verrieten seine Sprache und Manieren nicht mehr viel. Dabei war er ein echter Kleinbürger – diesen Ausdruck hatte Patrick den Schriften eines obskuren deutschen Juden mit Namen Karl Marx entnommen, die er in seinem ersten Jahr in Oxford überflogen hatte.
Wahrscheinlich würde sich bald niemand mehr an Marx erinnern, hatte er damals gedacht. In den letzten Jahren hatten sich so viele Sozialphilosophen zu Wort gemeldet. Doch die Beschreibung des Kleinbürgers passte genau auf den Mann, der an Catherines Seite vor ihm stand. »Ja, wir haben einige, nein viele von ihnen bei Tel-el-Kibir getötet«, erwiderte Patrick mit leiser Stimme, während seine Gedanken an jenen schrecklichen Sonnenaufgang voll Angst und Tod zurückkehrten.
»Bestimmt ein Kinderspiel! Die armen Teufel hatten sicher gegen britische Waffen keine Chance«, meinte Brett verächtlich.
Patrick sträubten sich die Nackenhaare wie bei einem Kampfhund. Offenbar wollte Norris ihn vor Catherine provozieren.
»Vielleicht haben wir nicht so viele arme Teufel umgebracht wie Ihr Vater mit seinen Kohlenbergwerken walisische Bergleute.«
Als halber Kelte fühlte sich Patrick mit den Walisern solidarisch. Der spöttische Ausdruck verschwand von Norris’ Gesicht, als ihm klar wurde, dass er den Hochländer-Offizier zu weit getrieben hatte. Obwohl er sich viel auf die gesellschaftliche Stellung einbildete, die er dem Reichtum seines Vaters verdankte, war ihm klar, dass ihn das nicht vor einem Mann schützen würde, der Gewalttätigkeit im Krieg kennen gelernt hatte. Auch Catherine, die den Wortwechsel verfolgt hatte, sah den düsteren, drohenden Ausdruck in den grünen Augen des Australiers.
»Das war wohl überflüssig, Mann. Sie sollten sich auf der Stelle entschuldigen«, bluffte Brett Norris.
In Patricks Ohren klang es mehr wie das Blöken eines Schafs. »Bitte entschuldigen Sie mich, Miss Fitzgerald«, sagte er mit grimmigem, unterkühltem Lächeln. »Ich werde mich den Gentlemen anschließen, um in Ruhe Portwein und Zigarre zu genießen.«
Das verärgerte Stirnrunzeln, das flüchtig auf Catherines Gesicht erschien, sah er nicht mehr. Als er sich abwandte, wirbelte der Kilt um seine Beine, deren Muskeln er den Gewaltmärschen als Infanterieoffizier verdankte. So hatte Catherine sich das nicht vorgestellt. Er spielte nicht nach ihren Regeln!
»Ein sauertöpfischer Grobian, dieser Captain Duffy«, sagte Norris so laut, dass Patrick es hören musste. »Eine Schande für die Uniform der Königin.«
Doch Patrick ignorierte die Provokation und schloss sich Professor Clark an, während Catherine Brett einen vernichtenden Blick zuwarf.
»Captain Duffys Regiment wird in Kürze nach Ägypten aufbrechen«, zischte sie. »Dort wird er wahrscheinlich erneut größten Gefahren ausgesetzt sein. Und da langweilen Sie uns mit Ihrem Geschwätz!«
Aber Brett Norris lächelte nur über Catherines Tadel. Er hatte die Fassung wiedergefunden. »Dieser Mann hat einfach keine Klasse und besitzt wahrscheinlich keinerlei privates Vermögen.«
»Sie wissen doch gar nichts über Captain Duffy«, warf sich Catherine für Patrick in die Bresche, der ihnen nun den Rücken zukehrte.
Brett war klar, wem Catherines Zuneigung gehörte. »Meine liebe junge Catherine, Damen verlieben sich vielleicht in solche Männer«, erklärte er, »aber sie besitzen genügend Sinn fürs
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