Auf den Flügeln des Adlers
James das jedoch nicht vor, weil er bei einer früheren Hetzjagd bewiesen hatte, dass er ihre Ermordung verhindert hätte, wenn es ihm möglich gewesen wäre.
»Ich wünschte, wir könnten dieses Jahr ungeschehen machen«, flüsterte Emma mit tränenerstickter Stimme. »Es hat uns beiden so viel Unglück gebracht. Weißt du noch, wie es war, als wir jung waren und bei Rockhampton lebten? Erinnerst du dich an unsere Picknicks, und wie wir alle um dein Klavier standen und sangen? Henry hatte eine scheußliche Singstimme …«
Sie verlor sich in ihren Gedanken, und die Tränen begannen zu fließen. Kate streckte ihre Hand über den Tisch aus, und Emma griff danach, während sie sich mit der anderen die Tränen abwischte. »Ach, Kate, ich habe das entsetzliche Gefühl, dass uns noch mehr Tragödien bevorstehen. Ich spüre, dass wir sehr bald unsere Lieben verlieren werden.«
Beruhigend drückte Kate Emmas Hand. »Ich bete, dass der Fluch, der auf uns liegt, sein Werk getan hat. Wir sind gesund, und wir haben unsere Kinder.«
Emma zog ihre Hand zurück, erhob sich und wischte sich mit der Schürze die Tränen ab. »Ich hoffe, du hast Recht.« Sie versuchte zu lächeln. »Vielleicht sieht Peter ja ein, dass es für ihn am besten ist, nach Townsville zurückzukehren und in deiner Firma zu arbeiten.«
»Darum kann ich nur beten«, meinte Kate ohne große Hoffnung. Sie wusste, welchen Wert ihr Neffe auf seine Männerfreundschaft zu Gordon legte. In dieser Hinsicht war er ein typischer Australier.
Die beiden Frauen plauderten, bis der Tee kalt war. Als Kate schließlich aufbrach, kam ihr immer wieder Emmas düstere Prophezeiung in den Sinn. Abergläubisch legte sie die Hand auf ihren Bauch und sprach ein Gebet an die Jungfrau Maria. Heilige Mutter Gottes, bitte behüte alle Geborenen und Ungeborenen in meinem Leben.
8
Die kühle Nachtluft half Patrick, auf dem Heimweg von dem prunkvollen Herrenhaus der Fitzgeralds einen klaren Kopf zu bekommen. In der unheimlichen Stille, die nur gelegentlich durch den Ruf einer Eule auf nächtlicher Mäusejagd unterbrochen wurde, hallten seine Schritte besonders laut.
Nach gut einem halben Kilometer auf der Straße sah er in der Ferne die düsteren Umrisse der baumbestandenen Kuppel, die vom weichen Licht des nahezu vollen Mondes erhellt wurden. Obwohl ihm klar war, wie unsinnig dieses Unterfangen war, suchte er den Gipfel mit den Blicken nach Catherine ab.
Einer plötzlichen Eingebung folgend, hielt er quer über das Feld auf die Erhebung zu. Schon nach kurzem Waten durch ein Meer aus taunassem Gras erhob sich der Hügel vor ihm. Oben hatte sich ein niedrig hängender Nebel gebildet, der zu ihm herabkroch und den schweren, an Medizin erinnernden Duft der Tannen mit sich brachte.
Während er zu dem Wäldchen hinaufstarrte, fühlte er den Nebel mit kalten, feuchten Fingern nach seinen Knien greifen. Warum wollte er plötzlich den Gipfel erklimmen? Stirnrunzelnd schüttelte er den Kopf. Vielleicht wollte er nur herausfinden, warum der Hügel eine solche Anziehungskraft auf Catherine ausübte.
Da die Erhebung nicht besonders hoch war, war der Aufstieg durch die schwermütigen, dunklen Tannen nicht schwierig. Auf dem Gipfel öffneten sich die Bäume auf eine kleine Lichtung aus blendend weißen, flachen Steinen.
Kalkstein, dachte Patrick, als er den geheimnisvollen Kreis betrat. Offenkundig war das charakteristische, geometrische Muster von Menschenhand angelegt worden. Inzwischen allerdings war es vom Gras fast überwuchert, das sich bemühte, die von einer uralten Rasse geschaffenen Linien und Kreise zu verwischen.
Erwartungsvoll stellte er sich in die Mitte des Steinkreises, wo er durch eine Lücke in den Bäumen den Mond sehen konnte, der eine silberne Straße auf den kalten, stillen Atlantik malte. Enttäuscht musste er feststellen, dass das mystische Erlebnis ausblieb, das er beinahe erwartet hatte. Stattdessen kroch Kälte seine Beine hinauf, und Einsamkeit griff nach seiner Seele.
Plötzlich wurde die Stille vom unheimlichen Knacken trockener Tannennadeln durchbrochen. Patrick zog aus einem seiner Kniestrümpfe einen Dolch, eine praktische Waffe, die jederzeit einsatzbereit war. Leise, aber bedrohlich knurrend tapste eine riesige Gestalt auf ihn zu. Den Dolch in der Hand, duckte Patrick sich zum Sprung.
Ein Wolf! Nein, kein Wolf. Ein Wolfshund!
»Lugh! Nein!«
Auf Catherines Befehl hin blieb der riesige Hund sofort stehen und ließ sich gehorsam zu Boden fallen, wo er
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